Der leise Abgang eines Bunkers

STADTENTWICKLUNG Viele Bunker werden umgebaut oder abgerissen. Für Anwohner kann das unangenehme Folgen haben: Bei Abrissarbeiten im Hamburger Stadtteil Winterhude hatten sie gegen Lärm und Staub protestiert. Ein Blick nach Altona zeigt: Es geht auch anders

VON SOPHIA LIEBIG

Staubwolken, heftige Erschütterungen und unerträglicher Lärm – mit allem hatten die Anwohner der Barner- und der Gaußstraße in Altona gerechnet. Immerhin sollten mehr als 7.000 Tonnen Beton vor ihrer Haustür abgetragen werden. Und nun das: Seit Mitte Januar wird gebaggert und gefräst. Anlass für Beschwerden gibt es aber nicht: Der Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg verschwindet überraschend geräuschlos.

Im vergangenen Jahr hatte der Abriss eines Luftschutzbunkers in Hamburg-Winterhude für mächtig Ärger gesorgt. Die Bauaufsicht der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) hatte die Baustelle in der Forsmannstraße vorübergehend stillgelegt, nachdem Stichproben-Messungen eine erhebliche Lärmbelastung der Nachbarschaft ergeben hatten.

Das damals zuständige Abrissunternehmen Wilko Wagner betreut auch in Altona die Arbeiten. Dass dort Proteste ausbleiben, läge vor allem an Lage und Umgebung des Bunkers, sagt Ralf Pietsch von der Baufirma. Im Gegensatz zum Luftschutzbunker in Winterhude grenzen die Mauern des Hochbunkers in der Barnerstraße nicht direkt an die umliegenden Häuser. Pietsch zufolge erfolgt der Abbruch von innen heraus, so dass Staub und Erschütterungen besser von den Nachbargebäuden ferngehalten werden können. Beim Lärmschutz hat das Abrissunternehmen dazugelernt: „Seit Beginn der Bauarbeiten schirmen ein Gerüst mit speziellen Lärmschutzplatten und eine Containerwand die Baustelle ab,“ erklärt Pietsch.

Mitte Juli soll der Bunker abgerissen sein. Ein Umbau des Hochbunkers sei nicht infrage gekommen, sagt Martina Rieckmann von der Firma Behrendt Wohnungsbau, die das Gelände von der Stadt gekauft hat. Es hätte zu viel Geld gekostet, Fenster in die bis zu zwei Meter dicken Betonwände zu fräsen. Außerdem sei das Gebäude asbestverseucht. Auf dem Gelände, das als Gewerbefläche ausgewiesen ist, sollen in den nächsten zwei Jahren Büros entstehen. Für Martin Roehl, Sprecher der Bezirksamts Altona, ein richtiger Schritt: „Das Gebiet ist eines der letzten Gewerbegebiete in Altona“, sagt er. In den fünfstöckigen Neubau will die Genossenschaft Altonaer Spar- und Bauvereins (Altoba) ihren Geschäftssitz verlegen.

Neben dem Bunker an der Gaußstraße bietet die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BlmA) derzeit zwölf weitere ehemalige Kriegsbauten in Hamburg zum Verkauf an, vier davon in Altona. Kaufinteressenten sind laut BlmA vor allem Architekten, Projektentwickler, Privatleute und Vereine.

Insgesamt gibt es in Hamburg rund 700 Bunkeranlagen. Nach und nach sollen die einstigen Schutzbauten nun den Besitzer wechseln, da sie nach dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr gebraucht werden. Aus Sorge vor einem drohenden Atomkrieg war 1962 ein Schutzbaugesetz verabschiedet worden, das den Ausbau bestehender und den Ersatz bereits abgerissener Bunker vorschrieb.

Die Luftschutzbauten waren vor allem von italienischen und niederländischen Zwangsarbeitern errichtet worden. Nun werden viele dieser Bunker umgebaut: Vor allem die Nachfrage nach Wohnungen in den Kriegs-Artefakten steigt. Rainer Mielke kennt dieses Geschäft gut: Seit 16 Jahren beschäftigt sich der Bremer Architekt mit den kolossalen Bauten. Zehn Bunker hat er bereits umgebaut. Die Geschichte der Bauwerke spielt dabei für ihn eine große Rolle: „Die Bunker sind geschichtliche Monumente, sozusagen Erinnerungsstücke, die mit schlimmsten Erlebnissen in Verbindung gebracht werden.“ Daher sei ein Umbau jedes Mal eine architektonische Herausforderung.

Bei seinen Entwürfen achtet Mielke besonders darauf, dass auch bei einem Neubau zumindest ein Teil der ursprünglichen Bausubstanz erhalten bleibt, damit die Historie nicht in Vergessenheit gerät. Beispielsweise können alte Bunkerwände in ein neu errichtetes Gebäude integriert werden. Damit Menschen dort wohnen können, ist es für den Architekten besonders wichtig, den Gebäuden das „Bunkerfeeling“ zu nehmen: „Deswegen sind helle, lichtdurchflutete Wohnungen besonders wichtig.“

Doch das kostet. Allein die Kaufpreise für unrenovierte Luftschutzbunker hätten sich in den letzten Jahren verdreißigfacht, sagt Mielke. „Ein Bunker ist mittlerweile so teuer wie ein gutes Grundstück in einer guten Lage.“ Unter einer Million bekommt man in Hamburg überhaupt nichts mehr, sagt er.

Deshalb entstehen dort, wo die Schutzräume in Wohnraum umgewandelt werden, heute meist hochpreisige Eigentumswohnungen. Der Nachfrage tut das keinen Abbruch: Neue Geräte erleichtern einen Umbau, aber vor allem gilt das Wohnen im Bunker laut Architekt Mielke als „modern und außergewöhnlich“.