Bremens Bürgermeister erklärt seinen Rücktritt

BREMEN Neue Karten, altes Spiel: Regierungschef Böhrnsen ist zwar nicht mehr dabei, dennoch deutet in Bremen viel auf eine Fortsetzung von Rot-Grün hin

BREMEN taz | Jens Böhrnsen (SPD) gibt sein Amt als Bürgermeister ab. Der Jurist, der seit zehn Jahren das kleinste Bundesland regiert, zieht damit persönliche Konsequenzen aus der desaströsen Wahlbeteiligung – und dem miserablen Abschneiden der SPD. Schon vor der Wahl kursierte unter JournalistInnen das Gerücht, Böhrnsen könne bei einer Wahlbeteiligung unter 50 Prozent zurücktreten.

Als mögliche Nachfolger gelten neben dem Fraktionsvorsitzenden Björn Tschöpe der frühere Landesvorsitzende Andreas Bovenschulte, der aktuell als Bürgermeister einer Umlandgemeinde arbeitet – und der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Carsten Sieling.

Die SPD, die seit dem Zweiten Weltkrieg jede Bremer Wahl gewonnen hat, war am Sonntag völlig überraschend um 5,7 Prozent eingebrochen und erreichte nach aktuellen Hochrechnungen mit 32,9 Prozent ihr schlechtestes im Bundesland je erzieltes Ergebnis. Eine historische Dimension einer Wahl, die vom Negativrekord der Wahlbeteiligung noch getoppt wird: Mit 50 Prozent erreichte sie den niedrigsten Wert einer deutschen Landtagswahl seit dem Deutschen Kaiserreich.

„Ich bedauere das sehr“, kommentierte die Grünen-Frontfrau Karoline Linnert, Finanzsenatorin und neben Böhrnsen Bürgermeisterin, den gestern verkündeten Abgang. „Mit Böhrnsen war stets eine gute sachbezogene Zusammenarbeit garantiert.“ Die Fortsetzung der Koalition sieht sie jedoch nicht in Gefahr. „Ich habe deswegen keine Sorge“, sagte sie der taz. Tatsächlich wäre die einzige verbleibende Koalitionsoption ein Zusammengehen von SPD und CDU, die aber in Bremen als nicht regierungsfähig gilt. Entsprechend hatte die CDU auch von der Schwäche der Koalition mit einem Plus von 2,2 im Vergleich zu 2011 kaum profitiert. Starke Zugewinne verzeichnete Die Linke, zugleich kehrt die FDP nach vier Jahren Abstinenz mit 6,5 Prozent in Fraktionsstärke ins Landesparlament zurück. Der AfD gelang in Bremen, aber nicht in Bremerhaven, der Sprung über die Fünfprozenthürde, sodass sie mit vier VertreterInnen nur als Gruppe im Landtag vertreten sein dürfte. Der Grund: In Bremerhaven hat die rechtspopulistische Formation „Bürger in Wut“ ihr Revier. Deren Bundesvorsitzender, der Polizist Jan Timke, zieht zum dritten Mal in Folge als Einzelabgeordneter ins Parlament ein. „Wir haben ein Wahlversprechen gegeben“, sagte Linnert der taz, „und das lautet: diese Koalition fortzusetzen.“ Angesichts einer Mehrheit von zwei Sitzen fühle sie sich daran gebunden. Linnert muss als Finanzsenatorin seit 2007 mit Bremens Schuldenlast von 21 Milliarden Euro umgehen. Etwas über eine Million Euro Zinsen fallen täglich an.

Bedeckt hielt sich der SPD-Landesvorsitzende Dieter Reinken, dem Sympathien für Rot-Schwarz nachgesagt werden: „Zu Koalitionen werde ich heute keine Aussage machen“, sagte er.

Einerseits liegt aufgrund des komplexen Wahlrechts noch kein Endergebnis vor, andererseits steht jedoch fest, dass in Bremerhaven, wo sich der Grünen-Anteil auf 11 Prozent halbiert hat, eine Stadtregierung nur mit der CDU möglich ist.

BENNO SCHIRRMEISTER