Schwieriger Besuch in Moskau

GEDENKEN Bundeskanzlerin Merkel legt einen Kranz am Grabmal des Unbekannten Soldaten nieder. Bei der großen Waffenparade am Samstag sitzen aber andere neben Putin – wie der Chinese Xi Jinping

Merkel betonte, Deutschland arbeite mit – und nicht gegen – Russland

AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH

Moskau wartete auf Angela Merkel. Auch wenn im Vorfeld der Eindruck entstanden war, Russland könne den Tag des Sieges ohne Westbesuch gebührend begehen. Die Anreise mit einem Tag Verspätung nannte der staatliche Sender Rossija 24 eine „kleine Verspätung“ der „Frau Kanzler“, die selbstverständlich nur auf den Druck der USA zurückzuführen sei.

Dass Europäer auch ein paar Schritte allein gehen können, ist für Russland schwer zu verstehen. Gleichwohl sprach Außenminister Sergei Lawrow von einer „Durchkreuzung der antirussischen Kampagne“ des Westens. Die Kanzlerin war also wohl gelitten, obwohl sie die Parade ausließ, um nicht von der militaristischen Propaganda des Kreml instrumentalisiert zu werden.

Zwei Kränze legten Merkel und Putin am Grab des Unbekannten Soldaten nieder, bevor sie sich zu Gesprächen zurückzogen. Es ging um die Ukraine und die deutsch-russischen Beziehungen. Putin war bemüht, Deutschland trotz der Schwierigkeiten als „Partner und Freund“ darzustellen. Merkel betonte, Deutschland arbeite mit – und nicht gegen – Russland, unterstrich aber „die völkerrechtswidrige Annexion der Krim“, die ein „schwerer Schlag“ in den Beziehungen zu Moskau sei.

Der Anlass des Gedenkens verpflichtete zur Zurückhaltung. Es wurde aber deutlich, dass sich an der russischen Haltung zum Ukrainekrieg nichts geändert hatte. Man wird weiter versuchen, die Abmachungen von Minsk umzusetzen. „Etwas anderes haben wir nicht“, meinte die Kanzlerin nüchtern.

Eine Annäherung bedeutete dieses Treffen nicht. Aber Berlin ist noch nicht wie Washington zu einer Obsession in Moskau geworden. Am Sonntag twitterte der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses der Duma, Alexei Puschkow: „Vor dem Hintergrund der gestrigen Feierlichkeiten haben wir ganz und gar Obamas Versuche vergessen, uns den Feiertag zu verderben. Obama ist in diesen Tagen verschwunden“, er sei nicht mehr als ein Gespenst aus einer anderen Welt. Puschkow ist einer der schärfsten Falken und TV-Agitator mit eigener Sendung.

Wladimir Putin gab sich unterdessen mit der Gästeliste zufrieden. „Wen wir hier haben wollten, der ist auch gekommen“, sagte der Kremlchef. Auch Simbabwes Präsident auf Lebenszeit, Robert Mugabe, gehörte zum Kader der Wunschgäste. Mugabe und Putin unterhielten sich ausführlich vor laufender Kamera bei einer Audienz im Kreml.

Von den Mächtigeren war der Chinese Xi Jinping gekommen, der neben Präsident Putin auf der Ehrentribüne der Parade Platz nahm. Beide Staatschefs lachten immer mal wieder miteinander, während die russische Rüstungsindustrie Neuigkeiten präsentierte. Darunter den als Superwaffe angekündigten neuen Panzer Armata T-14, der mit einer Tankfüllung 500 Kilometer zurücklegen kann. Besonders gepriesen wird seine Steuerungskapsel, die unzerstörbar sein soll.

Symbolik, Bilder und Parolen haben diesen größten russischen Feiertag verändert. Früher war es ein Fest der Familie und Freunde. Ein Tag des Friedens, der Besinnung und der Hoffnung, dass es dabei bleiben möge. Mit dem 70. Jahrestag hat sich in der Atmosphäre etwas verändert. Die größte, teuerste und mit 80 Minuten längste Militärparade stellte nur den äußerlichen Rahmen der zur Schau gestellten militärischen Stärke dar. Beklemmend ist die mentale Aufrüstung vieler Menschen. Sie feierten wie jedes Jahr ausgelassen, tanzten und lachten. Doch es schwang noch etwas anderes mit. Putin gab ihnen mit dem Ukrainekrieg das Gefühl nationaler Größe zurück. Der Weg zum Frieden führt indes über Siege. Das ist ein beunruhigender Ausblick. Auch Ereignisse andernorts verunsicherten: In Grosny stürmten verkleidete Rotarmisten eine Attrappe des Berliner Reichstages und legten um, wer sich von den als deutsche Landser verkleideten Schauspielern in den Weg stellte. Danach wurde die rote Fahne auf dem Reichstag gehisst. An der Deutschen Botschaft in Moskau hatten unterdessen „Nachtwölfe“ die Kopie einer Skulptur aus Treptow aufgestellt und legten Blumen nieder, da sie sich von Berlin ausgeschlossen fühlten. Das sind alles Handlungen, die mit Duldung des offiziellen Moskau stattfinden.

Die Auseinandersetzung mit der Kriegsgeschichte zeigte, dass Russland die Leidensgeschichte des Krieges für sich vereinnahmt. Mit keinem Wort erwähnte Putin die unverhältnismäßigen Opfer der Ukraine und Weißrusslands im Zweiten Weltkrieg.