„Eine sehr heterogene Community“

PARTY Am heutigen Samstag steigt wieder das Herdelezi-Fest, das Frühlingsfest der Roma. Organisator Georgi Ivanov über eine lange Tradition, ein trauriges Lied und junge Musiker aus Schöneweide, die bald Stars werden

■ 31, Sozialberater bei Amaro Foro (Unsere Stadt), ein Jugendverband von Roma und Nichtroma.

INTERVIEW PHILIPP IDEL

taz: Herr Ivanov, „Herdelezi“, was heißt das?

Georgi Ivanov: Das Fest wird von muslimischen und christlichen Roma gefeiert. Man verbindet den Namen mit zwei Brüdern, die aus dem Gebiet der heutigen Türkei kommen, Hadir und Elijaz. Es ist eine mythologische Geschichte, in der ein Drache vorkommt. „Herdelezi“ setzt sich aus Hadir und Elijaz zusammen. In Bosnien, Serbien, Mazedonien und Bulgarien ist das Fest aber auch unter dem Namen „Djurdjevdan“ bekannt. Das kommt aus der christlichen Tradition. Der 6. Mai ist ja auch der Tag des Heiligen Georg.

Und es gibt ein bekanntes Roma-Lied, das „Herdelezi“ heißt.

Das ist ein Lied in Romanes. Es ist sehr traurig. Es gibt die Tradition, am Tag des Fests ein Schaf zu schlachten. In dem Lied heißt es: „Mutter schau, heute schlachten alle ein Schaf, nur ich stehe daneben und schaue zu.“ Es geht um ein Kind, das kein Schaf hat und den Leuten bloß zuschaut, die ihre Schafe schlachten, tanzen und singen.

Kommen denn Roma aus ganz Berlin zu dem Fest?

Ja, Roma aus ganz Berlin – und Nichtroma. Bei den meisten Leuten wissen wir gar nicht, woher sie kommen. Es interessiert uns auch nicht. Herkunft ist nicht relevant.

Wie sieht der Alltag von Roma in Neukölln aus? Was sind die Probleme?

„In 20 Jahren feiern wir auf dem Tempelhofer Feld“

Zunächst einmal ist es wichtig, dass wir über die Probleme von Menschen sprechen – und nicht über Roma-Probleme. Wir stellen nämlich in unserer Beratung fest, dass die Leute, die zu uns kommen, dieselben Probleme haben. Ob Roma oder nicht. Das sind ganz banale, alltägliche Herausforderungen: Der Zugang zur Gesundheitsversorgung, zum Wohn- und Arbeitsmarkt, die Einschulung der Kinder. Und es gibt große Probleme mit Rassismus: In den letzten Jahren wurde von vielen Medien das Bild vermittelt, dass Roma nach Deutschland kommen, um das Sozialsystem auszunutzen – dass sie faule Betrüger sind. Wir möchten zeigen: So ist das nicht. Außerdem sind die Roma auch kulturell keine homogene Gruppe. Die Community ist sehr heterogen. Das Einzige, was sie verbindet, ist ihre Sprache – und selbst die wird nicht mehr von allen beherrscht.

Was halten sie übrigens von dem Wort „Zigeunerjazz“? Ein taz-Kollege würde gern wissen, ob man das noch sagen darf.

Es kommt darauf an, wer das Wort sagt. In der Mehrheitsgesellschaft kommt immer wieder die Frage auf: Warum dürfen wir das nicht sagen, wenn sie es doch selber tun? Meine Antwort ist dann immer: Es geht um Selbstbenennung, das heißt: selbst zu bestimmen, wie ich mich nenne. Ich habe das Privileg, mich so zu nennen, wie ich will. Du, als Mitglied der Mehrheitsgesellschaft, hast es nicht. Das ist genauso wie mit dem N-Wort. Außerdem sollte man die Etymologie des Wortes kennen. Es kommt aus dem Griechischen und bedeutet „die Unfassbaren“ – unfassbar im Sinne von krank, ansteckend und hässlich. Unter Roma gibt es zu wenig Wissen darüber. Viele Roma würden sich wahrscheinlich schon fragen, ob sie sich so nennen wollen, wenn sie das wüssten.

Zurück zum Fest: Was erwartet die BesucherInnen?

Ein sehr vielfältiges Programm. Viele Roma-Organisationen stellen sich vor. Es gibt Aktionen für Kinder, Balkan-Spezialitäten, Kohlrouladen und gefüllte Paprika zum Beispiel, außerdem viel Grillzeug, Cevapcici und solche Sachen. Das Bühnenprogramm ist bunt. Wir haben viel Balkanmusik. Die Big Band der Albert-Schweitzer-Schule aus Neukölln wird spielen. Franziska Giffey, die neue Bezirksbürgermeisterin, wird eine Rede halten.

■ Am heutigen Samstag findet das 7. Herdelezi-Nachbarschafts- und Kulturfestival in der Neuköllner Boddinstraße statt. Das Fest geht von 14 bis 20 Uhr. Die Aftershowparty beginnt um 21 Uhr in der „Filmbar“, Boddinstr. 10.

■ Veranstalter ist Amaro Foro, ein Verein mit dem Ziel, „jungen Menschen durch Selbstorganisation und Partizipation Raum zu schaffen, um aktive Bürger zu werden“.

■ Die BesucherInnen erwarten zahlreiche Stände von Roma-Organisationen, Musik aus den Balkanländern, Straßentheater, ein Kinderprogramm und diverse kulinarische Spezialitäten.

Und Nemuritorii, „die Stars aus Schöneweide“, treten auf. Wer sind denn diese Stars?

Na ja, das sind ein paar rumänische Jugendliche aus unserer offenen Jugendgruppe. Die treten dieses Jahr schon zum dritten Mal bei uns auf. Sie sind noch keine Supermegastars, können es aber gerne noch werden.

Wagen Sie einen Blick in die Zukunft, auf das Herdelezi-Fest in 20 Jahren?

Das Festival findet auf dem Tempelhofer Feld statt, das wir komplett füllen. Unsere Beratung gibt es nicht mehr. Aber nicht weil dann womöglich die Grenzen dicht sind, sondern weil man uns nicht mehr braucht.