Hilfestau trotz anhaltender Not

NEPAL Nicht nur die schlechte Infrastruktur behindert die schnelle Versorgung der Erdbebenopfer, sondern auch die Besteuerung der Hilfsgüter

AUS KATHMANDU UND DELHI MICHAEL RADUNSKI

Eine Woche nach dem schweren Erdbeben in Nepal geraten die Behörden wegen der schleppenden Verteilung von Hilfsgütern zunehmend in die Kritik. Einerseits ist die Hilfsbereitschaft aus dem Ausland überwältigend: Am Montag kündigte z. B. die EU-Kommission an, ihre Hilfe auf 22,6 Millionen Euro zu erhöhen. Auch landen den ganzen Tag über am Flughafen von Kathmandu eng getaktet riesige Militärtransporter. Sie bringen tonnenweise Hilfsgüter aus dem Ausland. Doch anderseits kommt die Hilfe nur schleppend bei den Bedürftigen an. Noch immer warten Tausende verzweifelt auf Wasser und Nahrung.

Ein Grund ist der Flughafen Tribhuvan. Er ist Nepals einziger internationale Flughafen, und verfügt lediglich über eine einzige Start- und Landebahn. Seit Tagen ist sie vollkommen überlastet – zeitlich wie physisch. Unter dem verstärkten Verkehrsaufkommen entwickelt sich die Landebahn zur Holperpiste. Deshalb soll sie nun für Flugzeuge mit einem Gesamtgewicht von mehr als 196 Tonnen gesperrt werden.

Doch wird von Tag zu Tag offensichtlicher, dass nicht nur der kleine Flughafen und Nepals schlechte Infrastruktur die Verteilung der internationalen Hilfsgüter behindern. Vor allem die schleppende Zollabfertigung der Behörden hat sich als zusätzliches Hindernis entpuppt. Denn viele Hilfsgüter sind inzwischen am Flughafen angekommen. Doch während im Land noch immer Tausende Menschen auf Hilfe warten, stapeln sich zunehmend die eingeflogenen Container auf dem Rollfeld und in den Hallen des Flughafens. An der Grenze zu Indien sollen sogar Hilfslieferungen zurückgeschickt worden sein, weil sich eine Hilfsorganisation geweigert hatte, die üblichen Zölle zu bezahlen. Zudem soll sämtliche finanzielle Hilfe über den Katastrophenfonds des Ministerpräsidenten abgewickelt werden.

Viele Nepalesen beklagen, bei der Verteilung würden Angehörige, Freunde und Geschäftspartner von Behördenmitarbeitern bevorzugt. Die Menschen in Kathmandu helfen sich inzwischen lieber selbst: Sie organisieren Lkw und fahren mit Säcken voller Nahrungsmittel und Medikamente in die Dörfer.

Die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos zeigte sich angesichts der großen Verteilungsprobleme „extrem beunruhigt“ und erinnerte Nepals Regierung an ein Abkommen von 2007: Es sieht die schnelle Abfertigung von Hilfslieferungen im Katastrophenfall vor. Nepals Regierung hat zugesagt, die „Verwaltungsprobleme“ zu beseitigen. Als erster Schritt wurden Zelte und Planen von der Besteuerung ausgenommen.

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