„Die Solidarität ist groß“

FLÜCHTLINGE Muss das Asylrecht sich ändern – und kann es? Streitgespräch an der Bucerius Law School

■ 61, Kommunikationswissenschaftler, floh 1984 selbst aus dem Iran. Der Gründer des „Vereins iranischer Flüchtlinge“ berät die „Silent University Hamburg“.

taz: Herr Fatih, was macht Europa in der Flüchtlingspolitik falsch?

Ali Fatih: Die Europäische Union bekämpft viel zu wenig die Ursachen der Flüchtlingsströme. Ich würde mir wünschen, dass vor allem hier etwas getan wird. Lange Zeit wurden von europäischer Seite wirtschaftliche Beziehungen zu korrupten Regierungen beispielweise in Syrien, Libyen oder dem Irak gehalten, die Menschen in diesen Ländern wurden als billige Arbeitskräfte ausgenutzt.

Hat sich das geändert?

Die Menschen dort haben keinerlei Lebensgrundlage mehr, es herrscht Krieg. Anstatt endlich zu helfen, überlässt die EU die Bevölkerungen ihrem Schicksal.

Sie diskutieren heute unter anderem mit Vertretern des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen, aber auch des Bundesinnenministeriums über die Reformierbarkeit des Asylrechts – in Europa und in Deutschland. Wird sich die Flüchtlingspolitik ändern lassen?

Wenn der öffentliche Druck von Medien und Bürgern groß genug wird, dann glaube ich schon, dass es möglich ist. Die Solidarität der Bürger in Europa mit den Flüchtlingen, fernab von Bewegungen wie Pegida, halte ich insgesamt für sehr groß. Die Politiker schotten die EU jedoch ab.

Und das nicht erst seit gestern.

Angefangen hat es 1985 mit dem Schengener Abkommen, dann kamen Dublin I und Dublin II. Die EU führt ihren restriktiven Kurs seit Jahren unverändert weiter. Ohne öffentlichen Druck wird sie ihre Politik nicht ändern. Ich sehe bei den Politikern nicht den Willen, von sich aus etwas zu ändern.

Was denken sie von der Politik des Hamburger Senats?

Da bin ich sehr enttäuscht. Ich wohne seit sieben Jahren in Hamburg und habe die Thematik sehr genau verfolgt. Dass es eine Stadt wie Hamburg nicht geschafft hat, 300 überlebenden Flüchtlingen einen rechtlichen Status zu verleihen, kann ich nicht verstehen. Die Lampedusa-Flüchtlinge sind einige wenige, die es geschafft haben, zu flüchten. Dass die Stadt ihnen ein Bleiberecht verschafft, wollten viele Menschen in Hamburg. Dass die Politik diese Solidarität nicht beachtet hat, war ein großer Fehler. Es ist aber die deutsche Asylpolitik insgesamt enttäuschend. INTERVIEW: ROBIN GRÜTZMACHER

Diskussion: 18 Uhr, Bucerius Law School (Moot Court)