Publikum ließ sich nicht veräppeln

POLITIKTALK Moderatoren wollten kein Gedöns – und ernteten Protest

Gedöns ist toll! Pffft, wie schlicht ist das denn. Anja Maier und ich schauten uns an. Wir, als taz-Parlamentsreporter natürlich nur für wichtigste Politik zuständig, saßen beisammen, um unsere taz.lab-Diskussion vorzubereiten. Und ja, wir gestehen: Wir waren vom Ankündigungstext der Kollegen genervt.

Eingeladen waren Ralf Stegner und Jens Spahn. Der eine ist SPD, der andere CDU. Beide sind schlagfertig und nicht unwichtig in ihren Parteien. Mit denen sollten wir über Gedöns reden, über Quatsch also? Wirklich noch mal die alte Story erzählen, wie Gerhard Schröder seine Familienministerin damals als „zuständig für Frauen und Gedöns“ … Sie wissen schon? Ernsthaft jetzt?

Och nö. Wir beschlossen, die Diskussion umzuwidmen, subversiv. Eine kleine Insel harter Politik in einem Meer von Gedöns sollte es sein. Statt Gedöns toll zu finden, wollten wir fragen, warum immer mehr Menschen Politik für Gedöns halten.

Die Sache ließ sich gut an. Der CDU-Mann vertrat pointiert die Ansicht, Politik müsse die Ängste der Menschen ernst nehmen, die etwa in Dresden auf die Straße gingen. Stegner warb für klare Kante gegen Idioten, die Neonazis hinterherliefen. Die beiden zofften sich leidenschaftlich, oft wurde gelacht. Alles gut also aus Moderatorensicht.

Bis, nun ja, bis sich das Publikum einschaltete. Eine Frau fragte, wann man denn endlich zum angekündigten Thema käme, zum Gedöns nämlich.

Verdammt, da war er, mein Angstmoment. Vor der Veranstaltung hatte ich mich heimlich gefragt, was ich tun würde, wenn ein Zuhörer sich beschwerte. taz-gemäß stimmten wir ab.

Eine knappe Mehrheit für Flüchtlingspolitik, aber eine stattliche Minderheit für Gedöns. Also diskutierten wir über beides; Stegner und Spahn, die Talkprofis, schwenken ohne mit der Wimper zu zucken um. Und, liebe taz.lab-KollegInnen, seid stolz auf euer Publikum: Es lässt sich einfach nichts vormachen.

ULRICH SCHULTE