Mit einem Baum als Mieter

HAUSBESUCH Sie leben bunt und lieben es bunt. Bei Patrick und Michael im Magdeburger Hundertwasserhaus

VON MARLENE GOETZ
(TEXT) UND HARALD KRIEG (FOTOS)

Magdeburg, Hauptstadt Sachsen-Anhalts, zu Besuch zu Hause bei Patrick Knobbe-Berlt und Michael Berlt in der Grünen Zitadelle von Friedensreich Hundertwasser.

Draußen: Das Haus ist ein kitschiges Kunstwerk des österreichischen Künstlers, es sieht aus wie eine rosa Torte: Säulen aus bunten Fliesen, eckige Fenster, Bogenfenster, hohe und niedrige Fenster, schnörkelige Schmiedeeisen-Geländer, goldene Kugeln auf den Dächern. So langsam wird das pflanzliche Konzept auch wieder erkennbar: Wenn der Winter vorbei ist, blüht und wächst es grün aus jeder Ecke. Im Erdgeschoss: Geschäfte und Cafés.

Drin: Am Ende eines sehr langen Gangs Küche und Esszimmer von Patricks und Michaels Wohnung. Darin ein langer Tisch, darauf eine Nähmaschine, viele Kunstwerke (Patrick: „Kreatives Chaos“), viele Pflanzen überall (Patrick: „Micha hat ein grünes Händchen“, Michael: „Na ja“). Auf der 80 Quadratmeter großen Dachterrasse wachsen Kräuter und Gemüse, bald soll dort ein Strandkorb stehen. Die Küche (Patrick: „Mein Reich!“) mit ungeraden Linien, das Geschirr: Hundertwasser-Motive. Micha liebt Eintöpfe, die sind nicht so sehr Patricks Ding – aber er kocht sie ihm, natürlich. Auch noch in der Wohnung: Büro, kleines Wohn- und Schlafzimmer, Bad und Toilette mit schrägen Fliesen. Und: Der „Baummieter“, zwischen Küche und Esstisch, in einem winzigen Raum, wächst ein echter Baum zum Fenster hinaus.

Wer macht was? Patrick Knobbe-Berlt und Michael Berlt sind seit 2012 die Touristenführer des Hundertwasserhauses: Sie bieten Führungen an, betreiben einen Infoladen mit Souvenirshop und kuratieren Ausstellungen. Für Patrick bedeutet das: Buchhaltung, Messebesuche, Wareneinkauf und Kommunikation („Ich bin die Labertasche“), Michael kümmert sich um die Gestaltung von Flyern und Ausstellungshinweisen, die hundertwassermäßigen Motive malt er selbst. Und der Garten ist seine große Leidenschaft („Er ist der Kreative“). Manchmal verlassen sie die Zitadelle tagelang nicht („Eine Welt in sich!“).

Leben in der Grünen Zitadelle? Patrick war von Anfang an fasziniert von dem Haus („Gesehen und verliebt. Wie bei einem Menschen“). Die Farben, die Details begeistern ihn: „Hier hat man keine schlechte Laune, das kräftige Rosa, die bunten Säulen und krummen Linien bringen mich zum Lachen.“ Er sei stolz, dort zu wohnen. Seine Leidenschaft für das Haus muss sich irgendwann auf Michael übertragen haben. Der bedauert nur, dass das Haus oft nur oberflächlich betrachtet wird und „viele den Blick für das Besondere verlieren“. Für ihn ist es „ein Gesamtwerk, in dem jedes Element und Farbe einen Grund haben“.

Wird Ihnen im Bad mit den schrägen Linien schummrig? „Nein!“

Was denken sie? Hundertwasser bestimmt ihr Leben. Die Weltanschauung des Künstlers – antitotalitär, libertär, bunt –, seine Naturverbundenheit, die Bauten. Zurzeit und noch bis Jahresende läuft ihre Ausstellung „Zehn Jahre Grüne Zitadelle“ zur Hausgeschichte und zum grafischen Werk Hundertwassers – mit Exponaten aus ihrer Privatsammlung („Ein teures Hobby“). Danach? Urlaub, mehrere Wochen mit dem Rucksack quer durch Deutschland.

Patrick Knobbe-Berlt: Er wurde 1987 in Magdeburg geboren und wuchs im Stadtteil auf, der Texas genannt wird, weil es dort nach dem Krieg zugegangen sei wie in Texas. Heute ist es ein attraktiver Ort im Norden der Stadt, alte Häuser, viel Grün. Patrick verbrachte seine Kindheit im Familienhaus mit seiner Mutter („Gelernte Tischlerin, hat aber aus gesundheitlichen Gründen in der Reinigung gearbeitet“), Großeltern, Onkel und Tante, seiner Cousine. „Es war traumhaft“, sagt er, auch wenn seine Mutter oft im Krankenhaus war. In der Schule hatte er nicht viele Freunde, war aber „immer Klassensprecher“, mit 14 gründete er ein Jugendparlament in der Stadt. 2005, nach dem Abi, arbeitete er ein Jahr im hauseigenen Shop, studierte zwei Jahre Europäisches Verwaltungsmanagement in Halberstadt und kam zurück, um die Bereiche Tourismus und Shop zu leiten.

Michael Berlt kommt aus Halle, wurde dort 1986 in eine „ganz normale Familie“ geboren, mit einer Schwester. In die Schule ging er gerne, mit 16 Ausbildung als Mechatroniker, damals etwas ganz Neues („Aber ich habe schnell gemerkt, dass es nicht passt“). Er holt sein Abi nach den 12-Stunden-Schichten nach. Dank Patrick findet er sein Studium: Verwaltungsökonomie. Er studiert von 2008 bis 2011, arbeitet nebenbei als Gästeführer im Hundertwasserhaus.

Das erste Date: „Ganz unromantisch im Internet.“ Das erste Telefonat dauerte dann gleich fünf Stunden. Jeden Abend ging das so, bis Michael nach Magdeburg fuhr fürs erste Treffen. „Ich hatte frei und wartete auf ihn, da hat mich die Arbeit angerufen, damit ich 35 Gäste durchs Hause führe!“, erzählt Patrick. Michael machte die Führung mit: „Es war ganz ganz toll“, Hundertwasser ist seitdem ein Teil der Beziehung. Später gingen sie essen in der Innenstadt („Der Kellner hat permanent mit Micha geflirtet“). Am Ende dieses Abends: kein Kuss, zwei Jahre Fernbeziehung.

Hochzeit? Dass sie eine eingetragene Lebenspartnerschaft wollen, haben sie „ganz spontan“ während eines gemeinsamen Auslandsjahres in Sofia entschieden: „Wir waren die ganze Zeit zusammen, da haben wir gesagt: ‚Dann können wir auch heiraten.‘“ Standesamtlich fand es am 26. September 2008 in Halle statt, die eigentliche Zeremonie aber auf der Dachterrasse des Hundertwasserhauses, mit etwa 35 Gästen. „Alles sehr viel Kitsch mit weißen Tauben und Luftballons“, sagt Patrick. „Es gab eine dreistöckige Hochzeitstorte und extra noch ein Erdbeerherz“, sagt Michael. Eine „sehr tolle“ freie Theologin habe sie getraut. Sie feierten zwei Tage lang.

Alltag: „Eher Langschläfer, da wir oft spät arbeiten“, sagt Michael. Sie sind mehrere Tage in der Woche im Laden, machen sonst Büroarbeit („Noch im Schlafanzug geht’s ins Büro, Mails lesen“). Am Wochenende arbeiten sie immer durch („Finden Kunden und Mitarbeiter toll!“). Sie nehmen dafür am Montag und Mittwoch frei: oft auch, um Tagesausflüge zu machen (Patrick: „Ich liebe Spa-Hotels“). Im Januar und Februar kocht Patrick für alle Mitarbeiter des Geschäfts („und noch ein paar andere Leute“) ein großes Mittagessen: „Das macht unsere Firma aus.“ Gegen 18.30 Uhr schließt der Laden, aber für die Geschäftsleiter ist dann „noch lange nicht Feierabend“.

Wie finden sie Merkel? Ihren Job würde weder Michael noch Patrick machen wollen. „Ich stehe nicht zu allem, aber sie macht nicht alles falsch“, sagt Michael. Und Patrick? „Ich würde mich freuen, wenn es so weitergeht.“

Wann sind Sie glücklich? „Wenn ich mit Micha gemeinsam Freizeit genießen kann“, sagt Patrick. „Auf der Dachterrasse oder im Grünen“, sagt Michael. Beide freuen sich jetzt auf den ersten langen Urlaub.

Sie möchten auch einmal besucht werden? Schreiben Sie eine Mail an hausbesuch@taz.de