ROTE ERDE
: Weißer Mann auf Fahrrad

will sich endlich auch mal wieder bewegen

Markus Völker

Sport ist Luxus in Südafrika, jedenfalls für die meisten. In der Stadt bewegt man sich nicht, man fährt oder lässt fahren. Auf dem Rad ist so gut wie niemand unterwegs. Von den angeblich so allgegenwärtigen Fußballspielern habe ich auch noch nicht viel gesehen. Nur an den Unis oder in den Weißenvierteln sieht man Jogger und ein paar Unverzagte auf Rennrädern.

Man kann auch nicht bis zur Erschöpfung durch die Stadt flanieren. Das wäre zu gefährlich. Was macht man also, wenn man es gewohnt ist, täglich mit dem Rad durch Berlin zu fahren? Man begibt sich auf die Suche nach einem Fitness-Center. Und siehe da: Keine 300 Meter von meinem Guesthouse entfernt gibt es eins. Dort steht allerlei herum, auch drei Fahrradergometer, von denen aber nur noch einer richtig funktioniert. Der Besitzer des Gyms hat mir einen guten Preis für einen Monat gemacht, 150 Rand, etwa 15 Euro. Der Plan: regelmäßiges Training auf dem Ergometer.

Der Chef des „Healthwise Studio“ ist ein professioneller Karate-Kämpfer. Tshepo Maaga ist sogar Mitglied der südafrikanischen Nationalmannschaft, sagt er. In Thailand bei der WM hat er unlängst den Titel „Bester technischer Kämpfer“ gewonnen. Die Auszeichnung hängt in seinem Büro an der Wand. Er zeigt mir all seine Stempel, die man in seinen Pass gedrückt hat. Er ist ganz schön herumgekommen. Auch in Deutschland war er schon, in Frankfurt. „And that’s my business“, sagt er und blickt auf sein kleines Reich mit den Punchingbällen, Gewichten und Laufbändern.

Ich bin der einzige Weiße im Gym, ansonsten stählt hier die schwarze Bevölkerung von Pretoria-Sunnyside ihre Muskeln. Wenn Tshepo Maaga mich sieht, lächelt er kurz und hebt die Hand zum Gruß. Ich komme jetzt fast täglich vorbei. Meist ist mein Fahrrad frei, aber neulich kurbelte ein etwas korpulenter Typ auf dem Ding herum. Ich wollte mich schon vorm einzigen Fernseher im Studio niederlassen und Fußball gucken, da kam Bewegung ins Personal. Man expedierte den Dicken vom Fahrrad und bedeutete mir, ich könne mich jetzt in den Sattel schwingen. „Nein, nein, ich kann warten, vielen Dank“, erwiderte ich. Aber es gab kein Zurück. Der Dicke sagte, es sei kein Problem, wenn er absteigen müsse, das mache er doch gern. Auch das Personal bedrängte mich. Also schwang ich mich wohl oder übel drauf, freilich etwas beschämt, dass um mich, den Weißen, so viel Aufhebens gemacht wird. Der Dicke machte sich jetzt auf dem Laufband hinter mir zu schaffen. Ich spürte seine Blicke im Nacken. Ich radelte wie verrückt, aber ich kam nicht vom Fleck.