Spione lieben dich nicht

GEHEIM Keine Gruselgeschichte aus Stasi-Archiven, sondern längst wieder Realität: Sicherheitsbehörden schicken missliebigen Bürgern Agenten ins Bett

VON MARTIN KAUL

Das ist Gedöns total: Unspektakulär eingewickelt in schwarzes Isolierband klemmte das kleine Gerät im Radschacht ihres Autos. Nicht besonders hochwertig, technisch unterambitioniert. Und doch hatte das kleine Ding, das jene Aktivistin da plötzlich im spanischen Valencia an ihrem Gefährt vorfand, eine zentrale Funktion: Es konnte stets den genauen Aufenthaltsort übermitteln.

Ein Peilsender, geeignet für die Überwachung der Zielperson. Diese Zielperson heißt Lily und ist eine Umweltaktivistin. Sie weiß zu erzählen, dass staatliche Überwachung nicht erst mit der Erfindung des Datenaustauschs begann. Jahrelang lebte Lily, die ihren echten Namen nicht nennen möchte, mit einem Mann zusammen, den sie für ihren Lebensgefährten hielt. Es war der verdeckte Ermittler Mark Kennedy, der über Jahre quer durch Europa Umweltaktivisten ausgespäht hatte. Dann flog er auf – und mit ihm einer der größten jüngeren Polizeiskandale Europas. Lily war zwei Jahre lang mit Kennedy zusammen – ohne zu ahnen, worum es wirklich ging. Noch heute kämpft sie vor Gericht gegen die Maßnahme an.

Staatliche Überwachung und der Umgang mit ihr gehören zu den großen Herausforderungen der digitalen Epoche. Digitaler Widerstand – eine Nothilfeformel, seit klar ist, wie allumfassend staatliche Angriffe auf Aktivisten, Künstler und Journalisten im global umkämpften Datenmarkt geworden sind. Beim taz.lab wollen wir mit Lily und anderen Gästen über schmerzende persönliche Erfahrungen mit dem Überwachungsstaat reden, aber vor allem auch über eine wichtige Zukunftsfrage: Gibt es einen Ausweg aus dem Überwachungsdiskurs? Und welche Allianzen sind dazu nötig – auf der Straße, im Netz, am Theater?

Deshalb fragen wir auf dem Gedöns-Kongress der taz, dem taz.lab 2015: Kämpfen, aber wo? Darüber diskutieren die Umweltaktivistin Lily, der Wikileaks-Vertraute und Buchautor Jérémie Zimmermann, die Regisseurin Angela Richter, die zuletzt Edward Snowden in Russland besuchte, sowie die Schweizer Aktionskünstlerin Lizvlx vom Künstlerduo Ubermorgen, die davon berichten kann, wie einmal eine Reihe internationaler Behörden hinter ihr her waren – wegen eines Kunstprojekts. Gedöns halt. Aber Gedöns total.