Die Bilanz der Anwälte

Bei den Protesten gegen den G 8-Gipfel in Heiligendamm verteidigten über 100 Rechtsanwälte als anwaltlicher Notdienst die Rechte der Demonstranten. Nun haben die Anwälte die Ereignisse analysiert und die Ergebnisse in dem Buch „Feindbild Demonstrant“ veröffentlicht

Die Bilder blieben hängen: Das riesige Polizeiaufgebot, der 13 Kilometer lange Hochsicherheitszaun, Massen von Demonstranten davor, eine Handvoll Staatschefs und ihre Berater dahinter. Der G 8-Gipfel in Heiligendamm löste den wohl größten Polizeieinsatz in der deutschen Nachkriegsgeschichte aus. Vor und während der Proteste gegen das Gipfeltreffen präsentierte sich der hochgerüstete Sicherheitsstaat, mit Razzien und der Kriminalisierung der GipfelkritikerInnen, gravierenden Einschränkungen des Demonstrationsrechts und dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren.

Um die Rechte der Protestbewegung zu verteidigen, waren über hundert RechtsanwältInnen vor allem aus Norddeutschland, aber auch aus ganz Europa vor Ort aktiv. Gemeinsam mit den Ermittlungsausschüssen organisierten sie sich unter dem Dach des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) als anwaltlicher Notdienst. Die Internationale Liga für Menschenrechte zeichnete die Legal Teams des anwaltlichen Notdienstes unlängst mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille aus und würdigte damit ihr Engagement für die Verteidigung der Bürger- und Menschenrechte während des G 8-Gipfels.

In dem jetzt erschienenen Buch „Feindbild Demonstrant“ zieht der anwaltliche Notdienst seine Bilanz der Gipfeltage und ihrer rechtlichen Konsequenzen. In 20 Aufsätzen analysieren AnwältInnen und JournalistInnen die Ereignisse des Sommers, ihre Vorgeschichte und ihr Nachspiel und dokumentieren dabei eine Kette von Rechtsbrüchen und Grundrechtsverletzungen von Polizei und Justiz.

Egal ob der Journalist Martin Beck die Razzien in den norddeutschen Bundesländern im Vorfeld des Gipfels Revue passieren lässt oder der Hamburger Anwalt Carsten Gericke die Geschichte pauschaler Versammlungsverbote von Brokdorf bis Heiligendamm skizziert und rechtlich bewertet – die Aufsätze sind immer parteilich, aber nie ohne die gebotene Sachlichkeit. Neben einigen Berliner Juristen sind es vor allem AnwältInnen aus Hamburg (Gabriele Heinecke, Britta Eder, Karen Ullmann oder Ulrike Donat) und Kiel (Alexander Hoffmann), die die Chronologie der laufenden Rechtsübertretungen dokumentieren und bewerten.

Angenehm fällt dabei auf, dass die Texte selten in juristischer Fachsprache verfasst sind, sondern fast immer auch für den Laien nachvollziehbar und aufgrund eines umfangreichen Quellenteils überprüfbar bleiben. So ist das Buch nicht nur lesenswert, sondern auch lesbar. Marco Carini

Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (Hrsg.): Feindbild Demonstrant. Verlag Assoziation A, 176 Seiten, Preis: 10 Euro.