Der Mogul, der nach Jaguar greift

Es geschieht auch in Indien nicht häufig, dass Konzernchefs bei Pressekonferenzen mit Standing Ovations begrüßt werden. Doch genau das hat Ratan Tata vergangenes Jahr erlebt. Seine Firma Tata Steel hatte gerade den Stahl-und-Aluminium-Riesen Corus gekauft. Da überkam selbst den sonst so zurückhaltenden Tata der Stolz. Dass ein rein indischer Konzern eines der größten europäischen Unternehmen übernimmt, habe es so noch nicht gegeben, sagte er damals. Das stellte selbst die Arcelor-Übernahme durch den indischstämmigen, aber in Europa ansässigen Mittal-Steel-Konzern in den Schatten: Indiens Presse feierte Tatas Akquisition gar als „umgekehrte Kolonialisierung“. Denn Corus war ein britisches-holländisches Unternehmen.

Die Briten! Tata hatte es der früheren Kolonialmacht gezeigt. Aus der Übernahmeschlacht kapitalistischer Großkonzerne war eine nationale Sache geworden. Tata wurde zum gefeierten Star. Jetzt steht der riesige Tata-Mischkonzern, der von Tee bis Lastwagen fast alles herstellt, vor einer weiteren Eroberung. Und vor was für einer! Geht alles glatt, sitzen Landrover- und Jaguar-Fahrer bald in indischen Autos. Die erste Übernahme eines europäischen Autobauers durch Inder steht laut Berichten kurz bevor. Tata selbst beruhigt die Arbeiter: Wenn sein Konzern ein Unternehmen kaufe, dann solle es so bleiben, wie es ist: „Der einzige Unterschied ist, dass es jemandem in Indien gehört.“

Schon früh stieg der 1937 in eine Familie von Parsi-Großindustriellen in Bombay geborene Tata in den Konzern seiner Familie ein. 1962 fing er als Arbeiter bei Tata Steel an. Er arbeitete an den Schmelzöfen; da hatte er schon einen Abschluss als Architekt und Bauingenieur von der US-Universität Cornell.

Ab 1971 leitete er verschiedene Unternehmen seiner Familie. 1991 übernahm er den Vorsitz der Firmengruppe von seinem Vater. Im indischen Boom der letzten zehn Jahre wurde die Tata-Gruppe zum multinationalen Großkonzern: Vor zwei Monaten nahm das US-Magazin Fortune Ratan Tata in die Liste der 25 mächtigsten Wirtschaftsführer der Welt auf.

Trotz fortgeschrittenen Alters zeigt der Industriemogul keine Zeichen von Müdigkeit. Seine Firmenjets fliegt er auch noch heute gern selbst. Bei einer Flugschau 2007 in Bangalore bestand er darauf, einen F-16-Kampfjet zu fliegen.

Tatas Traum, der „indische Volkswagen“, soll dieses Jahr vorgestellt werden: Ein Auto für umgerechnet weniger als 1.700 Euro. Er wünsche sich, dass jene Mittelschichtfamilien, die waghalsig bis zu fünft auf Rollern und Motorrädern über Indiens Schlaglochpisten jonglieren, künftig sicher im eigenen Auto fahren. SASCHA ZASTIRAL