„Es handelt sich um Aufstandsbekämpfung“

Deutschland wird wohl erstmals einen echten Kampftrupp in Afghanistan einsetzen. Nur logisch?

BERLIN taz ■ Die frisch entbrannte Diskussion über den wahrscheinlich bevorstehenden Einsatz einer deutschen Kampftruppe in Afghanistan leidet an einem bereits vertrauten Faktor, der sich „nachholende Realitätsanerkennung“ nennen lässt. Das bestätigen Bundestagsabgeordnete quer durch die Fraktionen.

Auf diese Weise ist nun Unsicherheit darüber entstanden, ob der Austausch einer norwegischen „schnellen Einsatztruppe“ (Quick Reaction Force) gegen einen deutschen Trupp im Rahmen der Afghanistanschutztruppe Isaf ein neue Qualität birgt – und ob er möglicherweise gar das Mandat sprengt, mit dem der Bundestag den Isaf-Einsatz abgesegnet hat.

Denn einerseits wird hierzulande gern der Eindruck aufrecht erhalten, die Bundeswehr baue im Rahmen der Friedenssicherungstruppe Isaf im sicheren Nordafghanistan nur Schulen und Brücken. Die US-Amerikaner führten dagegen mit ihrer Operation Enduring Freedom (OEF) einen Krieg, der bloß die afghanische Bevölkerung gegen alle gemeinsam aufbringe. Andererseits betont die Regierung im Zweifel aber auch, wie gefährlich der Isaf-Einsatz und wie kampftauglich die Bundeswehr sei. Nicht zuletzt soll so dem Vorwurf begegnet werden, die Deutschen ließen die Drecksarbeit stets von anderen erledigen.

Viele sind ohnehin der Meinung, dass sich die Mandatsgrenzen in Afghanistan längst verwischt haben. Auch die Linksfraktion kann deshalb den Einsatz einer deutschen Quick Reaction Force nicht als skandalöse Überschreitung geißeln. Deren Verteidigungsexperte Paul Schäfer (Die Linke) betont aber: „Mit der Ausgangsüberlegung eines Friedenssicherungsmandats hat so ein Einsatz nichts mehr zu tun. Es handelt sich um Aufstandsbekämpfung.“ Insofern „entspricht es der Realität“, wenn die Deutschen nun in ihrem Verantwortungsgebiet im Norden auch einen echten Kampftrupp stellten. „Aber es muss klar sein: Es geht dabei um Töten und Getötetwerden.“

Ganz ähnlich, nämlich für klare Worte, argumentiert die FDP. Deren Verteidigungspolitikerin Birgit Homburger wundert sich, dass das Ministerium sich scheue, den Begriff Kampfeinsatz „auch auszusprechen“.

Die Entscheidung für die Deutschen als neue Quick Reaction Force wird für Ende dieses Monats erwartet. Sie ist eine Art „schnelle Feuerwehr“ des Regionalkommandeurs, die zum Beispiel im vergangenen Herbst bei der Operation „Yolo2“ auch schon außerhalb des Nordens, im instabileren Westen eingesetzt wurde. Eine Beschränkung auf das Einsatzgebiet im Norden haben etwa die Grünen als zwingende Bedingung für einen deutschen Einsatztrupp bezeichnet.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) erklärte gestern, die Nato werde bei ihrer nächsten Truppenstellerkonferenz klären, welche Länder die schnelle Eingreiftruppe übernehmen könnten. „Wenn eine solche Entscheidung fallen sollte, dass Deutschland diesbezüglich gefragt wird, dann kann und wird dies nur im Rahmen des Bundestagsmandats erfolgen“, versprach Jung.

ULRIKE WINKELMANN