berliner szenen So riecht 2008

Alte Möbel, neues Jahr

Eine kritische Prüfung meiner bisherigen Wandfarbe gehört zu meinen Neujahrsbräuchen. Dieses Jahr wollte ich mein ödes weißes Arbeitszimmer in zartem Gelb erstrahlen lassen. Als ich mich auf den Weg in Richtung des Tempelhofer Paradieses für Heimwerker machen wollte, sprang mein Auto nicht an. Ich beschloss, statt für eine neue Farbgebung einfach für eine neue Raumaufteilung zu sorgen und begann ein lustiges Möbelrücken.

Als Erstes schob ich den Schreibtisch vom linken Fenster vor das rechte. So habe ich die neu renovierte Markthalle schräg gegenüber besser im Blick. Dann drückte ich meinen Schrank nach rechts an der Wand entlang, bis es im Rücken zog. Nun war das Korbsofa dran, zu dessen neuem Standort die linke Zimmerecke wurde, die vorher als Rumpelecke gedient hatte. Erschöpft ließ ich mich auf das Sofa sinken und holte tief Luft. Was war das? Noch einmal sog ich tief die Luft ein. Feinster Pizzaduft machte sich in meiner Nasenhöhle breit. Verzückt sank ich tiefer in die Kissen. Doch meine Nase war bereits selbstständig und schnupperte dem Wohlgeruch nach. Sie hatte meinen Körper so fest im Griff, dass sie mich auf den Boden zwang. Geriebene Parmesanflöckchen, in Knoblauch angebratene Pfifferlinge. Kurzum: Ich war ganz Nase. Schon klemmte ich mit dem Kopf unter das Sofa, genau hier war der Duft am intensivsten.

Oh Gloria! Im Geiste dankte ich dem Schreiner für die schlecht verlegten Dielen mit ihren riesigen Spalten und dem Mann, der das italienische Restaurant unter mir betrieb. Mit einer Flasche Wein machte ich es mir auf dem Sofa gemütlich und schnupperte ein ganzes Dreigängemenü. Und die weiße Wand genügte mir wieder. LENA HACH