Zwei, die sich schon als Sieger sehen

Auch wenn Clinton und McCain sich jetzt von ihren Anhängern feiern lassen, die Entscheidung über die Kandidaten wird erst beim Super-Tuesday am 5. Februar fallen. Aus Charleston, South Carolina ADRIENNE WOLTERSDORF

Der Pikkönig für Obama gewann gegen die Herzdame für Clinton

Mac is back, Mac is back“, johlten die Fans des 71-jährigen John McCain am Samstagabend in Charleston, nachdem klar war, dass der Senator aus Arizona das republikanische Rennen in South Carolina gewonnen hatte. In dem Ostküsten-Staat errang McCain 33 Prozent und lag damit knapp vor seinem schärfsten Widersacher, dem früheren Baptistenprediger Mike Huckabee, der auf 30 Prozent kam. Huckebee wirkte gefasst, als er seine Niederlage einräumte, und versprach seinen enttäuschten Anhängern, trotzdem weiterzukämpfen. Der Mormone Mitt Romney landete mit nur 15 Prozent noch hinter Fred Thompson, Exsenator aus Tennessee, der auf 16 Prozent kam.

Ein eindeutiger Favorit beim Rennen um die Nominierung zur Präsidentschaftskandidatur ist so bei den Republikanern weiterhin nicht in Sicht. Während McCain in South Carolina seinen zweiten Primaries-Sieg errang, gewann ebenfalls am Samstag in Nevada sein Konkurrent Mitt Romney haushoch mit 52 Prozent der Stimmen. Für den Exgouverneur von Massachusetts ist es der dritte Primaries-Sieg nach Michigan und Wyoming. McCain wiederum schnitt im mehrheitlich von Mormonen bewohnten Nevada mit 13 Prozent ziemlich schlecht ab.

Verwunderlich ist der ungleiche Wahlausgang vom Samstag nicht. Romney war der einzige republikanische Präsidentschaftsanwärter, der in Nevada überhaupt Wahlkampf betrieben hatte. Dafür hatte er bereits Mitte letzter Woche seine Segel in South Carolina gestrichen und das Feld McCain überlassen. Die Demokraten wählen in South Carolina erst am kommenden Samstag.

McCain zeigte sich bei seiner Dankesrede in Charleston, der Küstenmetropole des Südstaates, so siegessicher wie noch nie in diesem Wahlkampf. Gilt doch seit mehr als 20 Jahren der republikanische Wahlsieg in South Carolina als sicheres Ticket für die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten. Seit 1980 wurde jeder dort siegreiche Republikaner, darunter Ronald Reagan und George W. Bush, Spitzenkandidat seiner Partei. Und dann meistens auch Präsident. Im Jahre 2000 hatte McCain gegen Bush in South Carolina verloren. Jetzt sagte er: „Es hat eine Weile gedauert, aber was sind schon acht Jahre unter Freunden“.

Immer wieder winkte der Kriegsveteran, der seine Arme aufgrund seiner Verletzungen im Vietnamkrieg kaum heben kann, in die Menge. Ganz wie es die Südstaatenetikette verlangt, bedankte er sich für die Unterstützung zuerst bei seinen Helfern, dann bei seiner anwesenden 95-jährigen Mutter und erst dann bei seiner Frau Cindy.

Sein Wahlsieg in South Carolina, einem Staat mit durch und durch konservativer, zu 60 Prozent evangelikaler Bevölkerung, war allerdings ein hauchdünner. Zumal der Senator sich eigentlich bei seinem Rivalen Fred Thompson bedanken müsste. In den entscheidenden christlich-konservativen Wahlkreisen hatte der Erzkonservative Thompson dem Evangelikalen Huckabee Stimmen abgejagt, wodurch dieser den Sieg knapp verpasste.

Laut ersten Wahlanalysen habe McCain eher untypisch mehrheitlich nicht bei klassischen Südstaaten-Konservativen gepunktet, sondern bei Veteranen- und Militärfamilien, die rund ein Viertel seiner Stimmengeber ausmachten. Außerdem stimmten unerwartet viele Evangelikale für ihn sowie Republikaner, die den Senator einfach für den Erfahrensten hielten. Es sei eine „Charakterwahl“ gewesen, waren sich schnell auch die Analysten der US-Fernsehsender Fox und CNN einig, denn McCain gelte vielen aufgrund seiner Kriegserfahrungen und seiner ehrlichen Art schlichtweg als vertrauenswürdiger „amerikanischer Held“.

Schnell und offensichtlich überzeugender als seine Konkurrenten hatte McCain auf die schlechten Wirtschaftsdaten der vergangenen Tage reagiert. In Wahlkampfveranstaltungen hatte er Anreize für die Wirtschaft versprochen, aber auch Steuererleichterungen, verbunden mit drastischen Ausgabenreduzierungen des Staates. Sein Konkurrent Huckabee hatte auf die Spekulationen über eine beginnende Rezession mit unpräzisen Versprechungen und seiner Standardlösung einer „fairen Steuer“ – bestehend ausschließlich aus Mehrwertsteuern – reagiert, womit er die verunsicherten Republikaner nicht zufriedenstellen konnte.

Nun gilt es für McCain bei der nächsten Vorwahl in Florida am 29. Januar das Rennen gegen New Yorks Exbürgermeister Rudy Giuliani zu gewinnen. Jüngste Umfragen sehen ihn dort schon als Sieger – vielleicht wird also auch diesmal der Sieg in South Carolina der entscheidende gewesen sein.

In Las Vegas, der größten Stadt im Wüstenstaat Nevada, wurde am Samstag auch in neun Spielkasinos gewählt. Croupiers, Pagen und Serviererinnen standen in den Arbeitspausen zwischen Baccara-Tischen und einarmigen Banditen Schlange, um ihre Stimme abgeben zu können. Doch nicht deshalb bezeichneten Kommentatoren die Abstimmung in Nevada als „chaotisch“. Vielmehr hatte der erste Weststaat dieser Wahlsaison nie zuvor so umfangreiche Primaries abgehalten. Insgesamt hatten in Nevada rund 116.000 Bürger abgestimmt, was in dem dünn besiedelten Flächenstaat als Rekord gilt. Vor vier Jahren waren es nur 9.000 gewesen.

Im Vorfeld hatte es Proteste gegen das Wählen in den Spielcasinos gegeben. Darin Wahllokale einzurichten war eine Initiative der Gewerkschaften gewesen, um ihren Angestellten das Wählen zu ermöglichen. Eine Lehrerorganisation aus dem Umfeld von Hillary Clinton hatte zuvor mit einer gerichtlichen Klage versucht, dies zu verhindern - und war dann mit ihrem Vorstoß gescheitert. Die Kläger hatten geltend gemacht, dass Parteiversammlungen in Casinos zu einer unfairen Kandidatenkür führten. Hintergrund ist, dass tausende Beschäftigte in den Casinos der in Nevada mächtigen Gewerkschaft des Gaststättengewerbes angehören, die Obama als Kandidaten unterstützten.

Bis zum Schließen der Wahllokale war es denn auch ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Hillary Clinton und Barack Obama. Schließlich jedoch konnte die New Yorker Senatorin mit 51 Prozent ihren dritten Sieg feiern, der Senator aus Illinois kam auf 45 Prozent. Zuvor hatte Clinton in New Hampshire und Michigan gewonnen, wobei Michigans Delegierte aus parteiinternen Gründen nicht zählen werden. Der dritte demokratische Kandidat, Senator John Edwards, kam nur auf vier Prozent und fällt damit immer weiter ab im anfänglichen Dreierrennen.

Genau genommen endeten die Wahlen in Nevada jedoch mit einem Doppelsieg. Denn obwohl für Obama weniger Bürger votierten als für Clinton, erhält er einen Delegierten mehr. Obama bekommt demnach 13, Clinton 12 Stimmen, ein winziger Unterschied, der aber in einem so engen Rennen später entscheidend sein könnte.

Der Grund hierfür liegt in einer weiteren Kuriosität des US-amerikanischen Wahlsystems: Die eine Delegiertenstimme bekam Obama mehr, weil in einem Wahlkreis mit insgesamt fünf Delegierten die Stimmauszählung ein Patt ergeben hatte. Entschieden, wer die fünfte Stimme bekommen sollte, wurde schließlich – ganz im Stile des Glücksspielstaates Nevada – mit der Blindziehung einer Spielkarte. Es war der Pikkönig für Obama gegen die Herzdame für Clinton.

DEMOKRATEN (für die Nominierung sind 2.025 Delegierte erforderlich) Hillary Clinton hat New Hampshire, Michigan (ohne Delegierte) und Nevada gewonnen und verfügt nun über 236 Delegierte Barack Obama: Iowa, 136 Delegierte John Edwards: 50 Delegierte Nächste Vorwahl: 26. Januar in South Carolina

REPUBLIKANER (für die Nominierung sind 1.191 Delegierte nötig) Mitt Romney: Wyoming, Michigan, Nevada, 59 Delegierte Mike Huckabee: Iowa, 40 Delegierte John McCain: New Hampshire, South Carolina, 36 Delegierte Fred Thompson: 5 Delegierte Ron Paul: 4 Delegierte Rudolph Giuliani: 1 Delegierter Nächste Vorwahl: 29. Januar in Florida AP

Nach den bisherigen Ergebnissen sicherte sich Hillary Clinton damit insgesamt 236 Delegiertenstimmen für den Nominierungsparteitag der Demokraten im August. Eingerechnet sind hierin die von der Partei nominierten und nicht in den Primaries ermittelten „Superdelegierten“, den gewählten Parteifunktionären. Obama kann bislang auf 136 Delegierte zählen.

„So wurde offensichtlich der Westen gewonnen“, sagte eine locker und entspannt wirkende Clinton am Samstag im Planet Hollywood Hotel von Las Vegas vor ihren jubelnden Anhängern. Zwar zählten die Delegierten, aber es gehe auch um die Meinung der Bürger, wer für das Präsidentenamt am besten geeignet sei, sagte Clinton.

Obama hatte in Nevada die Unterstützung der mit 60.000 Mitgliedern mächtigsten Gewerkschaft, der der Gastronomie- und Casinoarbeiter. Clinton dagegen konnte mehrheitlich die Stimmen von Frauen, Weißen, Latinos sowie einer Reihe anderer Gewerkschaften, vor allem der Lehrer, gewinnen. Für Obama stimmten rund 80 Prozent der Schwarzen Nevadas, was von Beobachtern bereits als Stimmungstest für die nächsten Samstag stattfindenden Primaries im Bundesstaat South Carolina gewertet wird. Der Ostküstenstaat gilt als überwiegend konservativ, mit einer Bevölkerung, die zu knapp einem Drittel aus schwarzen Wählenden besteht.

Mit ihrem Sieg hofft Clinton nun auf Rückenwind für das härtere Rennen in South Carolina. Bevor sie am Samstagabend in ihr Flugzeug stieg, um zu Wahlkampfterminen nach Missouri aufzubrechen, spielte sie gegenüber Journalisten die Delegiertenfrage herunter. „Das ist alles noch völlig unklar, im Moment stehen wir richtig gut da“, sagte die Senatorin und wollte nicht weiter darauf eingehen, dass sie eine Stimme weniger als Obama bekam und insgesamt noch nicht über so viele Delegiertenstimmen verfügt, wie es eine eindeutige Führung verlangt.