Mapuche-Kämpferin hinter Gittern

Am Mittwochnachmittag bekamen die Pressevertreter, die sich vor einem Krankenhaus in der südchilenischen Provinzstadt Chillán versammelt hatten, eine bemerkenswerte Tonbandaufnahme vorgespielt: „Heute, am 30. Januar 2008, beende ich meinen Hungerstreik, der 112 Tage gedauert hat“, sagte Patricia Roxana Troncoso, genannt „la Chepa“. Kurz zuvor hatte ein Regierungssprecher in Santiago mitgeteilt: „Wir haben Patricia Troncosos Petition akzeptiert. Für uns ist das Thema erledigt.“

In Chillán hörte sich das anders an. „Wir haben den Stolz und die Arroganz einer Regierung besiegt“, erklärte die Stimme der 38-jährigen Menschenrechtlerin vom Tonband. Vermittler Alejandro Goic, der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, hatte am Montag bereits die Einigung verkündet – doch Troncoso wartete noch zwei weitere quälende Tage auf die schriftliche Regierungszusage über Hafterleichterung für sie und zwei Mapuche-Mitstreiter. Als feststand, dass dies zu viel verlangt war, willigte die Aktivistin schließlich ein, ein paar Löffel Brei zu sich zu nehmen. „Dieser Kreuzweg ist vorbei“, meinte ihr Vater Roberto erleichtert, Bischof Goic werde schon dafür sorgen, dass die Regierung ihre Zusagen einhält. Patricia sei um 25 Kilo abgemagert.

Die bekannteste politische Gefangene Chiles hat sich ganz dem Kampf der Mapuche verschrieben. Mapuche, das sind rund 85 Prozent der indigenen Bevölkerung Chiles, etwa 900.000 Menschen. „Ich selbst trage keinen Mapuche-Namen“, sagte sie einmal, „doch über meine Großeltern väterlicherseits habe ich ihre Wurzeln.“

Geboren wurde Patricia unter einer Plastikplane – die Eltern, eine Hausangestellte und ein Arbeiter, hatten sich an einer Landbesetzung am Rande Santiagos beteiligt und erkämpften ein Heim in der neuen Armensiedlung La Picoya. Dort wuchs sie als die älteste von fünf Geschwistern während der Pinochet-Diktatur auf, wollte zunächst Kindergärtnerin werden, dann Klosterfrau. In den 90er-Jahren studierte sie Theologie und schloss sich schließlich dem Kampf der Mapuche an, zunächst gegen einen Staudamm, dann gegen einen forstwirtschaftlichen Konzern. Ende 2001 gingen 100 Hektar einer Pinienplantage in Flammen auf, neun Monate später wurde Troncoso verhaftet.

2003 wurde sie nach den Bestimmungen von Pinochets Antiterrorgesetzgebung wegen angeblicher Brandstiftung zu zehn Jahren Haft verurteilt. Ihr erster Hungerstreik 2006 dauerte 52 Tage. Vorgestern stellte sie klar, dass sie noch längst nicht fertig ist. „Wir wollen dem ganzen Mapuche-Volk und dem chilenischen Volk Gerechtigkeit und Freiheit sichern.“

GERHARD DILGER