Harte Arbeit und innerer Widerspruch

1946 wurde er zum Nationalkünstler ernannt, geriet aber alsbald in Vergessenheit. Das Osnabrücker Symphonieorchester hat das Werk des tschechischen Komponisten Josef Bohuslav Foerster ausgegraben und spielt dessen Symphonien neu ein

„Wenn ich Konzertdirigent werde, werde ich alle Ihre Symphonien aufführen“, versprach ihm Gustav Mahler, doch ansteckend wirkte die Begeisterung des großen Komponisten offensichtlich nicht. Josef Bohuslav Foerster blieb Zeit seines langen Lebens ein Geheimtipp – trotz fünf großformatiger Sinfonien, zahlreicher Opern, Konzerte, Messen, Kammermusiken und Lieder. Selbst in seiner tschechischen Heimat, die ihn 1946 zum Nationalkünstler ernannte und dem so Geehrten fünf Jahre später ein Staatsbegräbnis gönnte, erreichte er nie die Popularität seiner Komponistenkollegen Smetana, Dvočák oder Janáček.

Über die Ursachen der freundlichen Nichtbeachtung lässt sich trefflich streiten. Wurde der 1859 geborene Foerster, der den Zwölftöner Arnold Schönberg persönlich kannte, dessen Musik er aber nicht sonderlich schätzte, seine unzeitgemäße Begeisterung für spätromantische Klangkulissen zum Verhängnis? Entfremdete ihn die jahrzehntelange Tätigkeit als Kritiker und Kompositionslehrer in Hamburg und Wien vom kulturellen Mainstream seiner Geburtsstadt Prag? Oder konnte sich der Künstler, der auch Landschaftsbilder malte und eine Biographie mit dem Titel „Der Pilger“ hinterließ, einfach nicht so effektiv promoten wie die großen Selbstdarsteller seiner Zunft?

Hermann Bäumer glaubt, dass mindestens diese drei Faktoren zusammengekommen sind, um Foerster aus dem Gedächtnis der Nachwelt zu drängen, und er gehört zu den wenigen, die darüber verlässlich Auskunft geben können. Denn Osnabrücks Generalmusikdirektor ist mit seinem Orchester gerade dabei, alle fünf Symphonien auf CD einzuspielen. Die beiden ersten, für die vom Verlag eigens neue Partituren erstellt werden mussten, sind in dieser Woche erschienen, bis zum 150. Geburtstag des Komponisten im Jahr 2009 wird der Zyklus vollständig sein. Außerdem spielt das Osnabrücker Symphonieorchester Foersters Werke im regulären Konzertbetrieb.

Eigentlich war Bäumer nur auf der Suche nach „gutem Repertoire“ für eine CD-Aufnahme. Bei der Durchsicht zahlreicher Bücher und Partituren stieß er eines Tages auf Foerster und erkannte schnell, dass hier ein Schatz gehoben werden kann. „Das sind tolle, hervorragend komponierte Stücke, die natürlich vom tschechischen Idiom leben. Man findet aber auch harmonisch gewagte Stellen, und ich bin fest davon überzeugt, dass sich Gustav Mahler verschiedentlich von Foersters Ideen inspirieren ließ“, erklärt Bäumer. Und wenn die Symphonien mal nicht wie Geniestreiche aus einem Guss wirken, sondern nach harter Arbeit und innerem Widerspruch klingen, findet der Dirigent das „unglaublich spannend“. Hier ist eben noch nicht alles abgerundet, was die Einstudierung für das Orchester für ihn umso reizvoller macht.

Dass sich die Musiker der Aufgabe mit deutlichem Enthusiasmus widmen, beweist bereits der erste Tonträger, der beim Detmolder Label Dabringhaus und Grimm erschienen ist: Imposant gestaltet Bäumer das Klangbild der ersten beiden Symphonien Foersters, die 1890 und 1894 uraufgeführt und dem Andenken der verstorbenen Mutter und Schwester gewidmet wurden. Doch Dirigent und Orchester versinken nicht in Schwermut. Sie betonen auch den burlesken, mitunter sarkastischen Tonfall der Partituren und setzen auf klare Strukturen.

Auch die beiden folgenden Veröffentlichungen versprechen interessant zu werden, zumal sie nicht die einzigen Neuproduktionen bleiben werden: Auch eine CD mit Werken des Spätromantikers Eugen d’Albert (1864–1932) will Hermann Bäumer demnächst herausbringen. THORSTEN STEGEMANN