„Wir brauchen ihre Sympathie“

Statt sich über den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan aufzuregen, solle die Union die Deutschtürken emotional für sich gewinnen, meint der CDU-Politiker Bülent Arslan

BÜLENT ARSLAN, 38, gebürtiger Türke und deutscher Staatsbürger, ist Vorsitzender des Deutsch-Türkischen Forums in der Union

taz: Herr Arslan, teilen Sie die Erregung Ihrer Parteifreunde über den Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan?

Bülent Arslan: Ich bin überrascht, wie viel Wirbel Erdogans Äußerungen in der deutschen Bevölkerung ausgelöst haben. Das meiste, was er gesagt hat, war nicht neu – und als seine Position bekannt. Aber in der deutschen Öffentlichkeit scheint dies weitgehend unbekannt zu sein.

Was war so schlimm an seinen Äußerungen?

Das frage ich mich auch – auch beim Thema Assimilation. Schließlich sagt fast jeder deutsche Politiker: Wir wollen Integration und keine Assimilation. Entscheidend war natürlich der Gesamteindruck des Besuchs. Die Veranstaltung in der Köln-Arena mit mehr als 10.000 Menschen, bei der Erdogan seine schützende Hand über die Deutschtürken legt.

Woran liegt es, dass Erdogan einen so großen Teil der Deutschtürken begeistert?

Das sind zum größten Teil konservative Menschen, bei der letzten Wahl haben 50 Prozent von ihnen Erdogans AKP gewählt. Hinzu kommt, dass sich viele der Menschen hier nicht heimisch fühlen. Sie haben zu wenig emotionale Beziehung zu Deutschland, haben einen Bedarf an politischer Geborgenheit und suchen Führungspersonen. Diese Lücke hat Erdogan gefüllt.

Die Union könnte für diese Menschen auch eine politische Heimat sein. Aber sie tut wenig dafür, es zu werden.

Ja, da gibt es ein Potenzial für die CDU. Beim Familienbild, der Innenpolitik, der Wirtschaftspolitik, aber auch beim Thema gleichgeschlechtliche Partnerschaften ist diese Klientel der CDU am nächsten. Aber wir haben die Sympathien dieser Leute nicht. Und das ist keine Frage von Haushaltsmitteln oder Fördermaßnahmen. Die Leute fühlen sich bei uns nicht aufgehoben.

Durch Wahlkämpfe wie in Hessen signalisiert die Union ja auch: Wir wollen euch nicht.

Drei Tage nach der umstrittenen Rede des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, hält die innenpolitische Debatte um die Integration der Deutschtürken weiter an. „Die Kultur des Gastlandes ist vorrangig“, sagte CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer und forderte von Migranten ein Mindestmaß an Anpassung. Ruprecht Polenz (CDU) sagte dagegen, dass Deutschtürken sich in ihrer „Heimat Deutschland sehr wohl zu Hause fühlen“ könnten, ohne „das Land der Eltern oder Großeltern zu vergessen“. Integration könne „keine Zwangsgermanisierung der Türken“ bedeuten, sagte Thomas Oppermann (SPD). SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte hingegen, „türkische Mitbürger“ müssten akzeptieren, „dass sie in einem Land leben, in das man sich integrieren sollte und kann“. Grünen-Chefin Claudia Roth verteidigte Erdogans Rede. Er habe in Köln „klar gesagt: Integriert euch, lernt Deutsch!“ DPA, AP, DDP

Ja, und genau das Gegenteil muss passieren. Wir müssen signalisieren, dass wir sie wollen und sie gern haben. Unser Programm ist gut, die Integrationspolitik in den CDU-geführten Ländern auch. Aber das Gefühl fehlt.

Wie wollen Sie das ändern?

Unionspolitiker müssen in den türkischen Medien und Vereinen sagen: Leute, wir finden gut, dass ihr hier seid, eure Leistung ist klasse. Wir haben zwar auch ein paar Probleme, die wollen wir zusammen lösen. Stattdessen steigt auf deutscher und türkischer Seite das Misstrauen: durch Debatten über Ehrenmorde, das Zuwanderungsgesetz, den EU-Beitritt der Türkei oder den Fall Marco. Es gibt eine gegenseitige emotionale Ablehnung, die größer ist als vor zehn Jahren. Damals herrschte eher Gleichgültigkeit vor. Aber vielleicht kommen wir so irgendwann an den Punkt: Jetzt müssen wir uns zusammenraufen. INTERVIEW: S. AM ORDE