Der Markt regelt nicht alles

Die Lebensmittelpreise sind in den vergangenen Monaten stark angestiegen. Diese Entwicklung wird anhalten. Damit gleicht sich Deutschland anderen Ländern an. Biobauern fordern eine Reform des Prämiensystems, das sie benachteilige

VON TILMAN VON ROHDEN

Seit vielen Monaten steigen die Preise bei Lebensmitteln auf ganzer Linie. Ein Ende ist nicht abzusehen. Die Preise für Getreide, Saaten und Futtermittel erhöhten sich nach jüngsten Angaben um mehr als 50 Prozent. Milch, Milcherzeugnisse, Eier, Speiseöle und Nahrungsfette verteuerten sich im letzten Jahr um beachtliche 25 Prozent. Die Preise für Zucker stiegen auf Großhandelsebene gegenüber dem Vorjahr um 9,2 Prozent. Allein gegenüber dem Vormonat wurden Getreide, Saaten und Futtermittel um 5 Prozent teurer, die Preise für Mehl und Getreideprodukte stiegen um 5,4 Prozent. Einziger Lichtblick für die Verbraucher: Milch, Milcherzeugnisse, Eier, Speiseöle und Nahrungsfette kosteten 0,8 Prozent weniger als im Vormonat.

Die seit Monaten anhaltende Preisexplosion bei den Lebensmitteln rief in der Vergangenheit die Presse auf den Plan. Sie forderte ein schnelles Ende der Preissteigerungen und subventionierte Lebensmittel für ärmere Schichten.

Doch so einfach dürfe man sich den Protest nicht machen, meint Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bunds ökologische Lebensmittelwirtschaft. Die Erzeugerpreise seien auf dem Stand von 1990, allerdings nicht die Produktionskosten. Die seien wie in jeder Branche über die Jahre kräftig gestiegen. „Die Landwirte lebten seit Jahren von der Substanz, das konnte nicht ewig so weitergehen.“ Bei der Frage nach gerechten Preisen für Lebensmittel müsse man feststellen, dass nicht die Verbraucher, sondern die Bauern über Jahre durch unfaire Preise ungerecht behandelt worden seien.

Löwenstein will nur den Marktpreis als gerecht anerkennen, ein anderes Preisbildungsmodell kann er sich nicht vorstellen. Das beruht auch auf persönlichen Erfahrungen. Er könne sich, so Löwenstein, noch gut erinnern, dass zu Zeiten der DDR die Bauern Brot statt Getreide an die Schweine verfütterten, weil das Regime für Brot nur einen politischen Preis verlangte: „Deswegen war Brot das preiswertere Futtermittel als Getreide.“

In Deutschland geben die Haushalte derzeit im Durchschnitt rund 12 Prozent ihres Nettoeinkommens für Lebensmittel aus. Das ist im internationalen Vergleich auffällig wenig. Andere vergleichbare Länder geben dafür 20 bis 30 Prozent, also wesentlich mehr aus. Insofern können sich die Verbraucher hier nicht wirklich beklagen. Vielmehr müssen sie sich langfristig darauf einstellen, dass sich der deutsche Markt den internationalen Verhältnissen anpasst. Das wird auch deshalb so kommen, weil Experten davon ausgehen, dass ein wesentlicher Grund für Preissteigerungen die weltweit steigende Nachfrage von Lebensmitteln ist. „Die Nachfrage regiert den Preis, das ist in jeder Marktwirtschaft so. Und daran sollten wir nichts ändern“, kommentiert Löwenstein.

Dennoch macht er sich als gewählter Vertreter der Ökobranche Sorgen. Nicht wegen der Preise, die wohl auch künftig steigen werden. Was Löwenstein umtreibt, sind die Subventionen, die das Einkommen der Landwirte nicht unwesentlich mitbestimmen. An diesen hält er fest, auch bei steigenden Preisen. „Diese Gelder entschädigen die Bauern für Leistungen, die sie für die Allgemeinheit erbringen.“ Als Beispiel führt er die Nichtnutzung eines Feldrandes zugunsten einer reichen Flora und Fauna an. Doch mit den steigenden Preisen würden die Zahlungen immer unattraktiver. Sie reichten als Entschädigung nicht mehr aus. „Steigende Erzeugerpreise müssen steigende Zahlungen aus Agrarumweltprogrammen zur Folge haben. Sonst rechnet es sich nicht für die Landwirte“, so Löwenstein.

Auch Thomas Dosch, Vorsitzender von Bioland, mahnt eine Neuberechnung der Prämien an: „Es kann nicht sein, dass konventionellen Bauern ein Ausgleich für Investitionen in tiergerechte Haltung gewährt wird, und Ökolandwirten hierfür keine zusätzlichen Mittel zustehen, weil Tierschutz ohnehin zu den Leistungen des Ökolandbaus gehört.“ Dosch setzt auf die Verantwortung und Lenkungswirkung der Politik beim Einsatz öffentlicher Gelder: „Wenn wir mehr gesellschaftliche Leistungen wollen, muss dafür auch entsprechend gezahlt werden.“

Doch die Politik in der EU geht andere Wege. Sie setzt auf direkte Subventionen zur Stützung der Preise. Diese Ausgleichszahlungen sind dem Bürger bei steigenden Preisen aber immer weniger verständlich zu machen. Löwenstein und sein Verband, der die Erzeuger und den Handel unter einen Hut bringt, setzt deshalb auf die Umschichtung der finanziellen Mittel zugunsten von Umweltprogrammen.