Beweise aus dem Folterstaat

Ein deutscher Schmuckhändler steht unter Verdacht, al-Quaida unterstützt zu haben. Muss die deutsche Justiz nachweisen, dass sie ihre Vorwürfe nicht auf Folterverhöre von Pakistans Geheimdienst stützt? Der Verteidiger will ein Grundsatzurteil

VON CHRISTIAN RATH

Der pakistanische Geheimdienst ISI gilt als wenig zimperlich. Dürfen seine Informationen dennoch in einem deutschen Strafverfahren verwendet werden? Diese Grundsatzfrage will der Ulmer Rechtsanwalt Manfred Gnjidic im Fall eines jüngst festgenommenen Islamisten klären lassen. Dem Mann wird die Unterstützung des Al-Qaida-Terrornetzwerks vorgeworfen. „Informationen, die vermutlich erfoltert wurden, haben im deutschen Strafprozess nichts zu suchen,“ sagte Gnjidic zur taz. „Notfalls muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden.“

Es geht um Aleem N., einen 45-Jährigen aus Germersheim in der Pfalz. Er ist deutscher Staatsangehöriger pakistanischer Herkunft. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, er habe von 2005 bis 2007 vier Reisen ins pakistanisch-afghanische Grenzgebiet unternommen. Dabei soll er jeweils mindestens 4.000 Euro und Ausrüstung, darunter Ferngläser, an Al-Qaida-Verantwortliche übergeben haben. Bei der letzten Reise soll er in einem Lager im Umgang mit Sprengstoff geschult worden sein.

N. sagt, er sei als Schmuckhändler in die Region gereist, um Lapislazuli zu kaufen. Doch deutsche Behörden hatten ihn schon seit Ende 2001 als „Gefährder“ registriert. Er soll nach den Anschlägen am 11. September 2001 auch Angriffe in Deutschland angekündigt haben.

In Pakistan war er am 18. Juni letzten Jahres festgenommen worden. In dieser Haft hat er „gestanden“, dass er in einem Al-Qaida-Camp war und sich eine Verbrennung am Arm beim Bombenbau zuzog. Zwei Monate später kam N. überraschend frei. Im Zuge des Machtkampfs in Pakistan hatte der dortige Oberste Gerichtshof seine Freilassung angeordnet, gemeinsam mit 60 anderen Verdächtigen, die ohne Anklage festgehalten worden waren. N. konnte nach Deutschland zurückkehren.

Dort war schon seine Wohnung gefilzt worden. Deutsche Polizisten untersuchten seine Armverletzung. Beide Maßnahmen genehmigte ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof. „Dabei wurde die Anordnung ausschließlich auf Erkenntnisse des pakistanischen Geheimdienstes gestützt“, sagte Anwalt Gnjidic. „Herr N. hat sein Geständnis, das er abgelegt hat, um nicht mehr geschlagen zu werden, längst widerrufen.“

Der Anwalt hat deshalb Ende vergangenen Jahres gegen beide Maßnahmen Beschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt: „Folter-Erkenntnisse dürfen bei strafrechtlichen Ermittlungen nicht verwendet werden.“ Das bestreitet auch die Bundesanwaltschaft nicht. „Aber woher wissen wir, dass Herr N. wirklich gefoltert wurde? Das ist nicht bewiesen“, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft zur taz. Anwalt Gnjidic sieht es andersherum: „Wenn jemand in Pakistan festgehalten wurde, dann muss die Bundesanwaltschaft beweisen, dass nicht gefoltert wurde.“ Die Pakistan-Expertin von amnesty international, Sigrid Krieg, gibt ihm recht: „In den Haftzentren, die vom pakistanischen Geheimdienst ISI betrieben werden, ist Folter normal“, sagte sie auf Nachfrage.

Am Freitag wurde N. wegen „Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ in Untersuchungshaft genommen. Der Haftbefehl stützt sich nicht ausschließlich auf die ISI-Erkenntnisse, sondern auch auf eine neue Zeugenaussage „aus der unmittelbaren Umgebung von Herrn N.“, erklärte die Bundesanwaltschaft.

Die Grundsatzfrage, ob ISI-Informationen im deutschen Strafverfahren verwendet werden können, will Anwalt Gnjidic deshalb anhand seiner Beschwerde gegen die Hausdurchsuchung weiterverfolgen.