„Die Fernsehgalas werden ausfallen“

Fundraising-Berater Müllerleile meint, dass das Spendensammeln für Unicef jetzt sehr schwierig werden wird

CHRISTOPH MÜLLERLEILE, 61, ist Mitbegründer des Deutschen Spendenrats und des Fundraisingverbands.

taz: Herr Müllerleile, welche Folgen hat der Verlust des Spendensiegels für Unicef?

Christoph Müllerleile: Erst Ende des Jahres wird sich zeigen, wie groß der Schaden wirklich ist, wie viele tausend Dauerspender abgesprungen sind. Aber auch die Zahl der Schenkungen von Großspendern könnte drastisch sinken, und manche Erblasser werden Unicef jetzt aus ihren Testamenten streichen. Außerdem werden sicher auch die Fernsehgalas und Benefizveranstaltungen für Unicef ausfallen.

Warum ist dieses Siegel so wichtig?

Es wird bisher als exklusives Adelsprädikat für besonders spendenwürdige überregionale Spendenorganisationen betrachtet. Für diese ist das Siegel extrem wichtig, um Unterstützung von überregionalen Medien, öffentlichen Institutionen und größeren Firmen zu bekommen – sei es in Form von Benefizgalas oder durch Spendenaufrufe in Katastrophenfällen. ARD und ZDF zum Beispiel rufen nur zu Spenden an Organisationen auf, die das Spendensiegel haben.

Jetzt will das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen die Kriterien verschärfen. Müssen andere Organisationen um ihr Siegel bangen?

Nein. Alle, die das Siegel bis jetzt haben, müssten die Kriterien auch weiterhin erfüllen. Allerdings müssen die Organisationen ihre Berichte künftig nicht mehr nur dem DZI, sondern auch der Öffentlichkeit präsentieren. Und die Siegelleitlinien müssen künftig nicht mehr nur die nach der Satzung Vertretungsberechtigten unterschreiben, sondern sämtliche Gremienmitglieder der Spendenorganisationen, wie Vorstände und Beiräte.

Wie kann Unicef das Siegel wiederbekommen?

Unicef muss die vom DZI geforderten Strukturen rasch herstellen: Provisionszahlungen an professionelle Spendensammler nach oben deckeln. Und Spender künftig informieren, wenn Teile ihres Geldes als Provision an professionelle Fundraiser gehen sollen. Dann sehe ich eine realistische Chance. Wichtig ist auch, dass als Geschäftsführer und Vorsitzender eine neue Miss oder ein neuer Mister Unicef gefunden wird, der das Vertrauen, das jetzt zurückgewonnen werden muss, in seiner Person manifestiert.

INTERVIEW: LARS GAEDE