Wer fürchtet Obama?

Wechseljahr 2008 (3): Wie fühlt sich Amerika? Dagmar Herzog über die Verfasstheit einer Changing Nation

Auf amerikanische Konservative wartet ein Albtraum. Wie es aussieht, heißt ihr Gegner nun Barack Obama. Aber vielleicht, so denken sie, können sie Hillary Clinton noch behilflich sein. So sagen rechte Fernsehkommentatoren frech und unverfroren, der einzige afroamerikanischer Senator zu sein, sei ja in sich selbst keine Leistung. Und so bekräftigte John McCains hübsch geschminkte Ehefrau Cindy im nationalen Fernsehen bei der Dankrede zum Sieg in Wisconsin die Aussage ihres Mannes – mit einem sarkastischen Augenkullern: Ihr Mann würde jeden Tag dafür kämpfen, dass Amerikaner „nicht beschwindelt werden“ durch einen „eloquenten, aber leeren Ruf nach Veränderung“ – ein Seitenhieb auf Obama direkt aus Clintons Drehbuch übernommen.

David Brooks, ein selbstgefälliger moderat-konservativer Meinungsmacher der New York Times und derzeit oft im Fernsehen, hilft besonders eifrig mit. Schwungvoll fantasiert er, dass in allen linksliberalen Zirkeln die sogenannten Bobos (Mitglieder der Boheme-Bourgeoisie) nun deprimiert ihrem Psychotherapeuten klagen, sie würden unter Obama-Comedown-Syndromen leiden – an Entzugssymptomen also, die einsetzen, wenn der Highzustand abflaut. Der manische Zuversichtsrausch, den dieser Papst der Hoffnung seinen Fans eingeflößt habe, sei nun am Abklingen, und die Leute würden sich ernüchtert fragen, ob dieser unerfahrene junge Mann etwas in Washington werde erreichen können. Brooks schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits positioniert er Obama als Helden der Starbucks-Cappuccino-trinkenden Intellektuellen, der den Dunkin-Donuts-Kaffee-trinkenden Arbeitern nichts zu bieten hat – just in dem Moment, in dem Obama und Clinton beide nach links rücken.

Zugleich schlägt Brooks vor, die ehemals Berauschten würden sich nun stärker mit Hillary Clinton identifizieren: Die kompetente, aber eben etwas langweiligere Kandidatin, die tapfer weiterstapft trotz der vermehrt eingesteckten Niederlagen.

Obama jedoch ist es in der Tat gelungen, auch die traditionell Clinton-unterstützenden Gruppen anzusprechen, inklusive Gewerkschaftsmitglieder, Arbeitnehmer niedrigerer Lohngruppen und Latinos. Noch bleibt Clinton eine Kerngruppe: Frauen über 60. Die übrigens sehr emotional reagieren in den nun – wie seit Jahren nicht mehr – allgegenwärtig geführten Gesprächen über Politik. Es ist ja nicht nur irritierend, sondern massiv schmerzlich, dass eine so fachkundige Frau dem gehässigsten Spott ausgesetzt wird, und ein schöner und schön redender Jüngling vorprescht.

Aber Obama hat eben auch Substanz, und er hat sich in den letzten Tagen das doppelte Bedürfnis der Bürger nach konkreteren Stellungnahmen im Allgemeinen und ausdrücklicheren Vorschlägen zur Wirtschaftslage im Besonderen sehr zu Herzen genommen. Genau das macht den Konservativen Angst.

Dagmar Herzog, Jg. 61, Historikerin am Graduate Center, City University of New York, forscht u. a. zum Aufstieg der religiösen Rechten in den USA