Die Natur selbst stellt die Anforderungen

Seit zehn Jahren lehrt die Wildnisschule Wildeshausen, dass die Natur allen Luxus bietet, den man braucht. „Wer sich in der Natur wohlgefühlt hat“, sagt die Wildnispädagogin Judith Wilhelm, „wird auch eher etwas für sie tun.“

Die Errungenschaften der Zivilisation sind fragil, meint Judith Wilhelm. Ein teurer Schlafsack ist schnell durchnässt und wertlos. Und selbst etwas so Bodenständiges wie Streichhölzer muss bei Nässe kapitulieren. Wie gut, wenn man die Glut auch mit Bogen und Feuerbohrer in Gang kriegt. Wenn man alle Utensilien beisammen hat, verspricht die Diplom-Biologin und Wildnispädagogin, brennt das Feuerchen in einer Minute. Und die selbstgebaute Laubhütte wird durch die eigene Körperwärme so mollig, dass der Schlafsack überflüssig ist.

Aber in der Wildnisschule Wildeshausen geht es nicht um Survival-Training. „In der Natur ist man von anderen abhängig“, sagt Judith Wilhelm. „Man muss sich fragen, was man der Gemeinschaft geben kann, und lernt Verantwortung zu übernehmen. Insofern ist unser Ansatz sehr politisch.“ Und außerdem praktischer Umweltschutz: „Wer sich in der Natur wohlgefühlt hat, wird auch eher etwas für sie tun.“

Seit zehn Jahren bringt die Wildnisschule Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern die heimische Natur nahe. Hautnah. Die Volkshochschule Bremen fragte 1998 beim Zentrum Prinzhöfte an, einer Gemeinschaft in der Wildeshauser Geest, die bereits einen Kindergarten und eine freie Schule im Geist des Reformpädagogen Célestin Freinet betrieb. Ob man auch ein Angebot für Erwachsene machen könne? Die Prinzhöfter konnten. Die Wildnisschule war eine der ersten ihrer Art in Deutschland, sagt Judith Wilhelm, die seit sieben Jahren zum Leitungsteam gehört. Inzwischen hat der Trend sie eingeholt. „Erlebnispädagogik benutzt die Natur nur als Kulisse“, sagt Wilhelm, die ihre Ausbildung zunächst in diesem Bereich absolviert hat. Die heilsame Erfahrung in der Wildnispädagogik sei dagegen: Die Anforderungen kommen nicht vom Teamleiter, sondern von der Natur selbst. Schulverweigerer ebenso wie Hochbegabte mit sozialen Schwierigkeiten lassen sich auf diese Weise erreichen.

Zum vierten Mal bietet die Wildnisschule in diesem Jahr die Weiterbildung „Natur- und Wildnispädagogik“ für PädagogInnen, ErzieherInnen und NaturwissenschaftlerInnen in der Umweltbildung an. An sieben Wochenenden trainieren die TeilnehmerInnen ihre Wahrnehmung, lernen Tierspuren lesen und die Geschichte dahinter rekonstruieren: Wo führt der Weg des Hasen lang? Warum ist er langsamer geworden? Wurde er verfolgt? Sie sammeln Kräuter, räuchern Forellen im Erdloch und backen Brot zwischen heißen Steinen. Die Flussüberquerung – am Seil hängend oder auf einem Baumstamm balancierend – schweißt die Gruppe zusammen. ANNEDORE BEELTE

Start der Weiterbildung am 7. März. www.wildnisschule.de