Beeindruckende Zahlen

Ein langer Wirtschaftsprozess neigt sich seinem Ende zu: Im Verfahren gegen Alexander Falk hat die Staatsanwaltschaft eine Strafe von fünf Jahren und neun Monaten für den Millionenerben verlangt

Von ELKE SPANNER

Drei Jahre und drei Monate später ist es soweit. Endlich. Mit einem zufriedenen Seufzer hebt die Staatsanwältin zu ihrem Schlussvortrag an. Sie wird noch viele Stunden sprechen, im ständigen Wechsel mit ihrem Kollegen, das Aufzählen all der Zahlen, englischen Wirtschaftsbegriffe und Unternehmensnamen ermüdet.

Zum Abschluss ihres Plädoyers dann hebt sie noch einmal die Stimme, und verkündet, worauf sie zähe Jahre hingearbeitet hat: Nach Überzeugung der Hamburger Staatsanwaltschaft hat sich Alexander Falk, Millionenerbe und Internetunternehmer, des vollendeten schweren Betruges schuldig gemacht. Der Hauptvorwurf der Anklage habe sich voll bestätigt. Für fünf Jahre und neun Monate soll er ins Gefängnis. Der größte Wirtschaftsprozess der Hamburger Geschichte neigt sich seinem Ende zu.

Schon jetzt aber ist klar, dass die Strafe so hoch nicht ausfallen wird. Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft geht das Landgericht nicht mehr von einem vollendeten, sondern nur von einem versuchten Betrug durch Alexander Falk und seine vier Mitangeklagten aus. Sie sollen den Wert von Falks Internetfirma Ision AG durch Scheingeschäfte in die Höhe getrieben und so bei deren Verkauf an die britische Energie Ende 2000 einen überzogenen Preis kassiert haben. Die Staatsanwaltschaft beziffert den Schaden auf mindestens 46,7 Millionen Euro.

Zu Beginn des Jahres 2000 habe Falk erkannt, dass seine Umsatzpläne für die Ision in einem umkämpften Markt und kurz vor dem Platzen der New-Economy-Blase nicht realisierbar waren. Darum habe er mit seinen Managern für den Verkauf der Firma einen „Finanzkreislauf der Scheingeschäfte“ ersonnen. „Der Börse musste eine Story verkauft werden, die die Ision als Wachstumsunternehmen darstellte“, sagte der Anklagevertreter. Mehrfach seien Umsätze in Millionenhöhe für Geschäfte verbucht worden, ohne dass die Ision dafür eine Leistung erbracht habe.

Angeblich hatte die Ision AG im Herbst 2000 den Internetauftritt der Moderatorin Sabine Christiansen relauncht. Zumindest hat sie dafür laut Unterlagen 1,8 Millionen Mark kassiert. Den behaupteten Relaunch aber gab es nicht. Die einzige Leistung der Ision laut Staatsanwaltschaft: Das Verfassen eines Brainstorming-Protokolls über drei oder vier Seiten. In einem weiteren Fall hatte die Ision mit der Schwesterfirma Butrix einen Dienstvertrag über die Planung eines IT-Dienstleistungszentrums abgeschlossen, Auftragsvolumen: 1,5 Millionen Mark. Laut Vertrag war die Ision zur Entwurfsplanung und Grundlagenermittlung verpflichtet. „Entsprechende Leistungen aber“, so der Staatsanwalt, „wurden nicht erbracht.“

All diese Geschäfte hätten allein dem Zweck gedient, die Bilanzen der Ision zu schönen, um beim Verkauf einen höheren Preis zu erzielen. Die Scheingeschäfte seien in den Jahresabschluss 2000 eingeflossen, wodurch die Ision AG an der Börse als Firma mit rasantem Wachstum galt. Rund 9,4 Prozent des behaupteten Jahresumsatzes seien unberechtigt ausgewiesen worden. Auch bei den Verkaufsverhandlungen mit der Energis hätten die Scheingeschäfte eine Rolle gespielt. Sie seien in den Financial Plan eingeflossen, der der Energis vorgelegen habe. Wegen der beeindruckenden Zahlen habe sich die Energis zum Kauf entschieden. Das britische Unternehmen witterte die Chance, dadurch auf dem europäischen Festland Fuß zu fassen.

Wegen der Betrugsvorwürfe hat Falk bereits 22 Monate in Untersuchungshaft gesessen. Diese Zeit würde auf eine Haftstrafe angerechnet.