Todesurteil wird überprüft

Der verurteilte afghanische Journalist Kambachsch hat nun einen Anwalt, Entwarnung gilt aber noch nicht

Der Bruder des in Afghanistan erstinstanzlich zum Tode verurteilten Journalisten Sajed Perwis Kambachsch ist vorsichtig optimistisch, dass es im Berufungsverfahren zu einem Freispruch kommt. „Am Dienstag dieser Woche hat das Oberste Gericht dem Antrag zur Verlegung des Verfahrens nach Kabul zugestimmt. In ein bis zwei Wochen dürfte mein Bruder in ein dortiges Gefängnis verlegt werden“, sagte Sajed Jakub Ibrahimi in einem Telefongespräch mit der taz. „Es gibt jetzt Chancen. Denn in Kabul stehen die Gerichte nicht so unter dem Einfluss von Fundamentalisten. Auch ist dort leichter ein Anwalt zu finden.“

Laut Ibrahimi habe seine Familie vergangene Woche erstmals einen Anwalt für den 23-jährigen Kambachsch gefunden. Dieser war am 22. Januar in der nördlichen Provinzhauptstadt Masar-i-Scharif wegen Blasphemie zum Tode verurteilt worden. „Dort traute sich kein Anwalt, den Fall zu übernehmen“, sagte Ibrahimi. „Und in dem abgekarteten Schnellverfahren, bei dem das Urteil schon vorher feststand, durfte mein Bruder nicht einmal selbst Stellung nehmen.“

Sajed wurde vorgeworfen, einen islamkritischen Text zu Frauenrechten an Kommilitonen verteilt zu haben. Der Journalistikstudent, der für das lokale Blatt Jahan-i-Naw (Neue Welt) schreibt, hatte den Text von einer iranischen Webseite heruntergeladen. Laut Ibrahimi zielt das Verfahren in Wirklichkeit gegen ihn und nicht gegen seinen Bruder.

Ibrahimi arbeitet seit 2003 für das britische „Institute for War and Peace Reporting“. Diese NGO bildet in Postkonflikt- und Transformationsstaaten Journalisten aus und betreibt eine Art Nachrichtenagentur. „Ich habe zahlreiche kritische Artikel über Warlords in Nordafghanistan geschrieben, weshalb ich denen ein Dorn im Auge bin. Da ich aber international vernetzt bin, trauen sie sich an mich nicht ran.“

Ibrahimi bestätigte, dass sich auch Präsident Hamid Karsai zugunsten seines Bruders geäußert habe. Doch er warnte davor, dem von mehreren Regierungsvertretern geäußerten Wunsch zu folgen und auf internationalen Druck zu verzichten. „Schreiben Sie weiter Briefe an afghanische Botschaften und Regierungsvertreter! Dies ist der beste Weg, um meinem Bruder zu helfen.“

Sollte auch die zweite Instanz das Todesurteil bestätigen, gibt es noch eine Berufungsmöglichkeit vor dem Obersten Gericht in Kabul. Danach kann Präsident Karsai eine Begnadigung aussprechen. Am Donnerstagnachmittag wollte das Europaparlament in Straßburg über die vom flämischen Christdemokraten Ivo Belet eingebrachte Resolution entschließen, in der das Todesurteil verurteilt und Afghanistan zur Einhaltung von Pressefreiheit und Menschenrechten aufgefordert wird. SVEN HANSEN