hamburger szene
: Märchenstunde

„Sagt mir zehn Begriffe und ich erzähle euch ein Märchen“, sagte da plötzlich eine Stimme. „Oh nein“, war mein erster Gedanke, „schon wieder einer dieser Schnorrer, der um ein paar Cent für ein Bier betteln will.“ Dabei sollte es doch einfach ein schöner Abend mit Freunden auf dem Kiez werden – und dann das, was mich doch schon jeden Tag beim verlassen der S-Bahn auf dem Weg zur Arbeit nervt.

„Nein danke. Märchen können wir dir auch erzählen“, antwortete einer meiner Freunde. Doch die Stimme ließ sich auch von dieser klaren Ansage nicht abschütteln. „Mein Name ist Michael Umbrecht aus Marbach am Neckar“, stellte sich die Stimme vor. Und Umbrecht begann zu erzählen, wie ungewöhnlich er es früher empfand, als Katholik unter lauter Protestanten zu wohnen. Da war das Eis plötzlich gebrochen, denn einer meiner Begleiter hatte einst das selbe Problem. Das Gespräch wurde zunehmend interessanter.

Nach 20 Minuten war es aber auch vorbei. Schließlich wollten wir weiter. Und dann kam doch noch die Frage: „Habt ihr vielleicht ein paar Cent für ein Bier.“ „Nein“, sagte ich, schon aus Prinzip, „wir müssen jetzt aber auch wirklich weiter – in die Cobra-Bar.“ „Da komme ich später auch hin“, sagte Umbrecht. „Na dann gebe ich dir da ein Bier aus“, sagte mein Freund, der Katholik. „Ja, das ist ein Wort“, sagte Umbrecht.

Stunden später war er allerdings immer noch nicht aufgetaucht. Dabei hatte ich mich mittlerweile wirklich auf ein Märchen gefreut. FELIX GABER