Der Anständige


Pakistans neuer PremierYusuf Raza Gillani scheut keine Konfrontation mit Präsident Musharraf. Nach seiner Wahl am Montag kündigte er an, die im November geschassten Richter wieder freizulassen FOTO: AP

Er gilt als bescheiden und zurückhaltend, doch er ist ein politisches Schwergewicht. Mit Yusuf Raza Gillani hat das Parlament in Islamabad am Montag einen der angesehensten Politiker Pakistans zum Premier gewählt. Heute soll er von Präsident Pervez Musharraf vereidigt werden – und damit von dem Mann, der ihn 2001 für fünf Jahre einsperren ließ, weil Gillani sich weigerte, zu seinen Unterstützern zu wechseln.

Schon früh nach seinem Putsch im Jahr 1999 hatte Musharraf versucht, den einflussreichen Politiker der Pakistanischen Volkspartei (PPP) und langjährigen Weggefährten von Benazir Bhutto für sich zu gewinnen. Gillani lehnte ab. Daraufhin kramte Musharraf Vorwürfe hervor, Gillani habe als Parlamentspräsident in den Jahren 1993–96 illegale Absprachen getroffen, und stellte ihn vor ein Sondergericht. Doch Gillani ließ sich nicht beirren und ging ins Gefängnis. Einem Reporter der Tageszeitung Dawn sagte er, er wolle ein „Beispiel“ geben, wie man sich als Politiker „anständig verhält“.

Schon zuvor hatte er Standhaftigkeit bewiesen. Als Parlamentspräsident ordnete er 1995 die Freilassung von Abgeordneten an, die unter der damaligen PPP-Regierung festgenommen worden waren. Als sich der damalige Innenminister weigerte, machte er diesen Missstand trotz massiver Drohungen öffentlich.

Seine Karriere als Politiker war Gillani, Jahrgang 1952, in die Wiege gelegt. Sein Großvater und sein Großonkel waren Mitglieder der All India Muslim League und kämpften mit Muhammad Ali Jinnah für einen pakistanischen Staat. Sein Vater Alamdar Hussain Gillani war in den 1950er-Jahren Minister in der Regionalregierung der Provinz Punjab. Gillani ist einer der wenigen Politiker Pakistans, die nicht aus einem Clan einflussreicher Großgrundbesitzer oder Industrieller stammen. Seine Vorfahren sind seit Generationen Wächter der islamischen Stätten in der Stadt Multan und verfügen nur über wenig Grundbesitz.

1978 trat der diplomierte Journalist in die Muslimliga ein und arbeitete in der Regierung unter General Zia-ul-Haq. Nach dem Tod des Diktators überwarf er sich mit dem vom Militär gestützten Premier Mohammad Ali Junejo und trat der PPP bei. In Bhuttos erster Regierung war er Gesundheits- und Wohnungsbauminister, während Bhuttos zweiter Amtszeit war er Parlamentspräsident.

Einer seiner Freunde sagte vor der gestrigen Abstimmung, Gillani sei wegen der Haftstrafe nicht nachtragend. Nach seiner Wahl ordnete er jedoch sofort die Freilassung der regimekritischen Richter an, die Musharraf im November entlassen und unter Arrest gestellt hatte. Das war für ihn wohl eine Frage des Anstands. SASCHA ZASTIRAL