Der Biennale-Kritiker als Biennale-Chef

Die Zukunft der Kunst liegt im Geld“, schrieb Daniel Birnbaum 2007 in der Zeitschrift Texte zur Kunst. Positionen jenseits des Marktes sähen sich in der Kunstwelt an den Rand gedrängt. „Der Kritiker ist durch den Kurator marginalisiert worden, der wiederum durch den Berater verdrängt worden ist, den Manager und – am wichtigsten – den Sammler“, bilanzierte er. „Die Biennale ist durch die Messe in den Schatten gestellt worden. Als Format künstlerischer Artikulation hat sie sich selbst verbraucht“. – „Was kommt“, fragte er, „nach der Biennale?“

Nach der Biennale, muss man nun sagen, kommt erst recht die Biennale. Denn am Montag erklärte das Führungsgremium der Stiftung Biennale di Venezia, dass seine Wahl für den Leiter der 53. Kunstbiennale von Venedig auf Daniel Birnbaum gefallen sei.

1963 in Stockholm geboren, ist Birnbaum seit 2000 Rektor der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste (Städelschule) in Frankfurt am Main und Direktor des ebenfalls dort angesiedelten Ausstellungshauses Portikus. Nach einem Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Literaturwissenschaft in den USA, Stockholm und Berlin war Birnbaum als Kunstkritiker etwa für die New Yorker Kunstzeitschrift Artforum und als freier Kurator tätig. Wissenschaftlich arbeitete er unter anderem über Novalis, Martin Heidegger, Edmund Husserl oder auch Thomas Bernhard.

1998 schloss er seine Promotion in Philosophie an der Universität Stockholm mit einer Arbeit über Jacques Derrida ab. Als Kokurator des italienischen Pavillons der Venedig Biennale 2003 und der ersten Moskau Biennale 2005 hat Birnbaum Erfahrung mit internationalen Großausstellungen. Für Venedig 2009 dürfte vermutlich seine Frankfurter Praxis wesentlich sein, die kombinierte Regie einer experimentellen Kunsthochschule und einer kleinen, aber international renommierten Kunsthalle.

Diese Verbindung ermöglichte es Birnbaum, eng mit den Künstlern zusammenzuarbeiten. Dazu bot sich die Verschränkung von Ausstellung und Lehrtätigkeit an, wobei Birnbaum an der Städelschule auch das diskursive Feld stärkte, etwa über das gemeinsam mit der Kunstwissenschaftlerin Isabelle Graw initiierte Institut für Kunstkritik, ein Konferenzprogramm zur Theoriebildung. Auch jetzt erklärte Birnbaum, obzwar die Biennale eine neue Herausforderung bedeute, bleibe das Prinzip für ihn gleich. Die Vorstellungen der Künstler bildeten für ihn das Zentrum der Ausstellung. Diese gelte es von Hierarchien freizuhalten, wie sie der Markt und seine Mode diktierten. Die Zukunft der Kunst liegt eben beim Künstler und der Künstlerin.

BRIGITTE WERNEBURG