die taz vor 11 jahren über die moral in der truppe und den werteverfall
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Die Werte, man weiß es, sie sind ziemlich auf den Hund und den Industriekreis Kulturelles Miteinander e. V. gekommen. Wo wäre er denn, der junge Mann, der in der U-Bahn korrekt dienerte, die Hacken zusammenschlüge und seinen Platz der schettrigen alten Dame samt inkontinentem Yorkshire Terrier frei machte? Oder kennt jemand jemanden, der in historischer Zeit einem armen, alten Blindenhund über die Straße geholfen hätte? Gibt’s nicht. Kein Wert mehr, nirgends.

Natürlich leidet unter diesem Zerfall der Werte die Truppe zuerst. Kein Mumm in den Knochen, kein Bums mehr. Haben ja auch nichts zu schießen, die Jungs, müssen sich, wenn im Felde oder sonst in Unprofor- oder geheimer Mission unterwegs, oft sogar selber totschießen, damit die oberste friedenserhaltende Heeresleitung ein paar Zahlen nach Hause faxen kann.

Wo soll’s auch herkommen, wenn die Chefs schon so jämmerlich versagen! Die CIA hat sich jetzt glatt entschuldigt. Der Golfkrieg war grad vorbei und mit Schättradeng und allem gewonnen. Nur noch ein bißchen aufräumen auf der Walstatt. Aus Versehen wurde in Anwesenheit der U.S.-Army das Giftgasdepot Chamisiya gesprengt, und im heimeligen friendly fire erblindeten gleich ein paar tausend von den Unsern. Shit happens.

Aber was macht die CIA? Statt die Versehrten als Helden zu feiern, ent-schul-di-gen die sich. War nicht persönlich gemeint. Nicht böse sein, ja? Bloß weil ein paar tausend Soldaten blind und blöd aus dem Krieg heimgekommen sind! Kann schließlich mal vorkommen, aber muß man sich wegen jeder Lappalie entschuldigen? Hat sich Ramses je bei den Arbeitern dafür entschuldigt, daß sie beim Pyramidenbau wie die Moskitos starben? Oder Dschingis Khan nach seinem Westfeldzug? Pardonnez moi! Nö. Hitler? Sagte er es womöglich mit Blumen? Oder Stalin? Ein Duett vielleicht mit Molotow? I’m sooorry, so, so sooory! So wird das nie was. Willi Winkler, taz vom 14. 4. 1997