Legitimes Armutszeugnis

Prozesskostenhilfe kann man auch dann bekommen, wenn das Einkommen deutlich über dem Hartz-IV-Satz liegt. Etwas schwieriger ist es bisweilen, einen Anwalt zu finden, der den Fall übernimmt

VON TILMAN VON ROHDEN

Was nützt der schönste Rechtsstaat, wenn man seine Rechte nicht auch im Zweifelsfall vor Gericht durchsetzen könnte? Was nutzt das schönste Recht, wenn man seine Durchsetzung sich nicht leisten kann, weil das Geld allzu schmal ist?

Um solche Fälle auszuschließen, gibt es die Prozesskostenhilfe, die früher als „Armenrecht“ bekannt war. Ist die Prozesskostenhilfe einmal gewährt, bildet sie einen Risikoschirm. Die Staatskasse übernimmt die Kosten des Gerichtsverfahrens und des eigenen Anwalts. Die Prozesskostenhilfe muss in Raten über maximal vier Jahre zurückgezahlt werden. Bei sehr niedrigem Einkommen kann auch die Ratenzahlung erlassen werden.

Außerdem muss der angestrebte Prozess eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten. Diese überprüft im Rahmen einer Vorprüfung ein Richter des jeweils zuständigen Gerichts. Gegen seine möglicherweise negative Entscheidung ist eine Beschwerde möglich. Doch dazu kommt es meistens erst gar nicht: „In der Regel gibt es aber keine Schwierigkeiten, schließlich sind die Richter unabhängig und nur der Sache verpflichtet“, sagt Klaus Säverin, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin.

Säverin macht stattdessen auf eine andere Hürde aufmerksam. „Für Anwälte sind Rechtsstreitigkeiten auf der Basis von Prozesskostenhilfe finanziell nicht attraktiv. Ich kenne Anwälte, die solche Mandate nicht annehmen“, so Säverin. Schon mit der Beantragung der Prozesskostenhilfe hätten manche Anwälte ein Problem. Denn wenn der Antrag inklusive eines aufwändigen Klageentwurfs negativ beschieden würde, bliebe der Anwalt auf seinen Kosten sitzen, da der Mandant kaum zahlungsfähig sei, so Säverin.

Selbst wenn man einen Anwalt gefunden hat, der das Mandat übernimmt, ist man noch nicht aus dem Schneider. Denn wenn der Prozess verlorengeht, muss man trotz staatlicher Absicherung den gegnerischen Anwalt bezahlen. Ein finanzielles Restrisiko bleibt bei der Prozesskostenhilfe in jedem Falle.

Prozesskostenhilfe können Einkommensschwache auch dann beantragen, wenn sie der Beklagte sind. Die finanzielle Unterstützung gilt jedoch nicht für Ordnungswidrigkeiten und Strafverfahren. Hier kann jedoch ein kostenloser Pflichtverteidiger vom Gericht bestellt werden.

Die Prozesskostenhilfe muss beim zuständigen Gericht beantragt werden. Dazu füllt man ein zweiseitiges Formular aus, das die wesentlichen Faktoren der Einkommens- und Vermögenssituation wie Verdienst, Miete, Versicherungskosten sowie finanzielle Belastungen durch Scheidung oder unterhaltspflichtige Kinder abfragt. Berücksichtigt wird ein Freibetrag von rund 380 Euro pro Person, der sich durch einen Lebenspartner verdoppeln kann.

Einen weiteren Freibetrag in Höhe von 174 Euro pro Person gibt es, wenn der Antragssteller berufstätig ist. Pro unterhaltspflichtigem Kind werden außerdem 267 Euro angerechnet. Diese Freibeträge führen dazu, dass eine Prozesskostenhilfe auch dann in Frage kommt, wenn das Einkommen deutlich über dem Hartz-IV-Satz liegt.

Dies ist politisch mittlerweile umstritten. Die mehr oder weniger klammen Bundesländer wollen an diesen Ausgabenblock heran. Schon seit 2003 basteln sie an einem Gesetz, das die Kostensteigerungen für die Prozesskostenhilfe begrenzen soll. Der im Jahr 2006 vorgelegte Gesetzesentwurf hat es in sich: Die Prozesskostenhilfe soll nur noch als zinsloses Darlehen gewährt werden, wenn das Einkommen höher als das Existenzminimum ist. Die Höhe der Ratenrückzahlung soll kräftig anziehen. Die Regel, dass die Rückzahlung spätestens nach vier Jahren endet, soll wegfallen. Schon der Antrag auf finanzielle Unterstützung würde eine Gebühr nach sich ziehen.

Der Gesetzesentwurf hat aber auch eine gute Seite: Er ist nicht durchsetzbar. Die Länderinitiative stößt bei der Bundesregierung sowie bei mehreren Ländern auf Vorbehalte. „Jeder, der es mit den Werten unseres Rechtsstaates ernst nimmt, sollte daher manche der vorgesehenen Regelungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch einmal auf den verfassungsmäßigen Prüfstand stellen“, äußerte sich beispielsweise die ehemalige Berliner Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) zu dem Vorhaben.