Studieren auf Umwegen

Oft erhalten Bewerber einen Ablehnungsbescheid von der Hochschule, weil alle Studienplätze vergeben sind. Eine letzte Möglichkeit bietet der Antrag auf „außerkapazitäre Zulassung“

Studienplätze sind knapp. Jede Hochschule ist deshalb verpflichtet, ihre Kapazitäten vollständig auszuschöpfen. Die Ermittlung freier Studienplätze basiert auf einem komplizierten Berechnungsverfahren. Missachtet die Hochschule das Verfahren, können Hochschulbewerber den Studienplatz einklagen. SK

VON SVEN KULKA

Es soll ihn geben, den Luxus, sich einen Studienplatz aussuchen zu können. Doch die Regel ist das nicht. Oft erhalten Bewerber von einer Hochschule die Mitteilung, dass sie auf einer Rangliste eingetragen worden seien und erst nach einer Wartezeit einen Studienplatz zugeteilt bekommen.

Vor allem in sehr begehrten und zulassungsbeschränkten NC-Fächern wie der Human-, Zahn- oder Tiermedizin erhalten immer mehr Bewerber von der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) oder direkt von den Hochschulen einen Ablehnungsbescheid. Viele lassen diese Entscheidung nicht auf sich beruhen – und klagen.

„Zuerst müssen Bewerber einen gesonderten Zulassungsantrag an die Wunschhochschule schicken“, sagt der Berliner Rechtsanwalt Gregor Wichmann. Gleichzeitig könnten sie beim Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung auf eine vorläufige Zulassung beantragen, um keine Zeit zu verlieren. Im Rahmen dieses gerichtlichen Eilverfahrens werde dann aufgeklärt, ob an der Hochschule in dem betreffenden Studiengang noch Ausbildungskapazitäten vorhanden seien.

Klagen kann jeder Hochschulbewerber, der einen Ablehnungsbescheid erhalten hat und an keiner Hochschule eingeschrieben ist. Einen Anwalt benötigt ein Bewerber für die Antragstellung allerdings nicht unbedingt. Doch fachliche Hilfe ist insofern ratsam, als die Kapazitätsberechnung sehr kompliziert ist.

Wie hoch sind die Kosten? Bei anwaltlicher Vertretung bestehen die Kosten für den Studienplatzkläger in den eigenen Rechtsanwaltskosten, den Gerichtskosten sowie den erstattungsfähigen Kosten des Gegners. Soweit die gegnerische Universität einen Rechtsanwalt beauftragt hat, sind auch diese erstattungsfähig. Dies gilt nach Ansicht der Verwaltungsgerichte zum überwiegenden Teil faktisch auch dann, wenn verfügbare Studienplätze vorhanden sind, die jedoch wegen der großen Anzahl der klagenden Studienplatzbewerber verlost werden müssen. Die Höhe der Kosten variiert je nach Streitwertfestsetzung der Verwaltungsgerichte. Für die Kostenhöhe ist auch maßgebend, ob das zuständige Verwaltungsgericht einen Termin anberaumt hat und ob das Verfahren durch Vergleich beendet wird. Die Kostenhöhe wird weiterhin dadurch bestimmt, ob neben dem Eilverfahren ein Hauptsacheverfahren, also eine Klage, notwendig ist. Im Durchschnitt kostet eine Klage rund 1.200 Euro ohne Anwalt, rund 2.000 Euro mit Rechtsbeistand.

In der Vergangenheit ist die Zahl der Ablehnungen aufgrund der zunehmenden Zulassungsbeschränkungen immer weiter gestiegen. Mehr Klagen gibt es allerdings nicht. Der Grund dafür scheint zu sein, dass sich viele Hochschulen – in Berlin alle außer der Technischen Universität (TU) – selbst anwaltlich vertreten lassen, wodurch sich die Gesamtverfahrenskosten nahezu verdoppeln. „Die Rechnung der Hochschulen geht also auf. Der Grund: Kann sich der Bewerber keinen Studienplatz erkämpfen, muss er nicht nur seine entstandenen Kosten zahlen, sondern auch die Kosten, die der Hochschule entstanden sind“, erklärt Rechtsanwalt Gregor Wichmann.

Wichtig: Jede Hochschule hat festgelegte Termine, meist das Semesterstartdatum, bis zu denen eine Klage möglich ist. „Doch nicht selten erhalten Studienplatzbewerber einen Ablehnungsbescheid erst nach Ablauf der Frist“, sagt Gregor Wichmann. In diesen Fällen könne man nichts mehr machen. Eigentlich sind Hochschulen dazu verpflichtet, bis zum Optimum Studienplätze anzubieten. Doch die Realität sieht vielfach anders aus. Vor allem in Berlin, wo der Kampf um die knappen Studienplätze besonders hart und das Geld knapp ist, liegt es nahe, „dass Hochschulen nicht mehr Plätze anbieten, als ihnen nötig erscheinen“, sagt Wichmann.

Immer wieder werden sie daher verurteilt, weitere Studienplätze einzurichten, weil mögliche Kapazitäten nicht voll ausgeschöpft sind. Die Charité beispielsweise hatte im Studiengang Zahnmedizin zum Sommersemester 2006 nur 45 Studienplätze eingerichtet und musste auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Berlin hin 33 Studienbewerber außerkapazitär aufnehmen. Auf die Beschwerde der Charité bestätigte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes insoweit, als zumindest 27 Studienplätze für verfügbar gehalten wurden, so Gregor Wichmann.

Die Chancen, beim Losverfahren einen Platz zu erhalten, steigen in der Regel, je weniger Bewerber einen Antrag auf außerkapazitäre Zulassung stellen. Auch Hochschulbewerber, deren Noten zu schlecht sind und deren Wartezeit zu kurz ist, können klagen. Und mit ein wenig Glück nimmt man am Losverfahren teil und erhält trotz mäßiger Noten einen Studienplatz.