Harte Zeiten für Gender-Fragen

Für Gender und Queer Studies schwindet der Platz an Hamburger Hochschulen. Und wer Geschlechterfragen studieren möchte, kann dafür am Ende nur noch ein Zertifikat bekommen

VON JESSICA RICCÒ

Der Raum für Gender Studies an der Uni Hamburg schrumpft. Nicht nur meldet im Nebenfach Gender & Queer Studies eine Veranstaltungen nach der anderen den Zulassungsstopp – der Rückzug ist auch in allen Fachbereichen zu beobachten.

Vor genau fünf Jahren rühmte die Hochschule sich noch mit der Einführung des Nebenfaches. Jedes Hauptstudium sollte sich damit kombinieren lassen, zumal Geschlechterfragen keine Domäne von Soziologen oder Medizinern sind, sondern faktischer Bestandteil unserer Gesellschaft. Für sich gesehen zählten die Genderstudierenden jedoch zu den wenigen, die die Frage „Und was machst du später damit?“ noch öfter hörten als Soziologen und Philosophen zusammen.

Ein Schuss in den Ofen soll das Fach dennoch nicht sein. „Anfangs ging es eben steil bergauf... und nun geht es wieder bergab,“ schätzt Gisela Kamke von der Koordinationsstelle für Frauenstudien und -forschung die Situation ein. „Aber das bedeutet nicht das Ende dieses Themenkomplexes an Hamburger Hochschulen“, erklärt sie.

Die Koordinationsstelle fungierte ehemals als Schnittstelle für alle Nebenfächler. Heute werden dort unter anderem neue „Zertifikate für Genderkompetenz“ bearbeitet. Anstelle eines universitären Abschlusses können Studenten freiwillig in Veranstaltungen zu Genderfragen Creditpoints sammeln – so ähnlich wie beim alten Bachelorabschluss. Doch jetzt gibt es nur noch ein Zertifikat für die Bewerbungen.

Also nur ein neuer Titel für dieselbe Lehre? „Nein“, meint Steff Bentrup vom Fachschaftsrat der letzten Genderstudierenden auf Magister. „Der Bereich krankt an seinen Ressourcen.“ Um eine umfassende Lehre zu gewährleisten, müsste es ihrer Meinung nach mehr eigenständige Professuren geben – und nicht nur entliehene Dozenten. „Um Gender und Queer Studies als Nebenfach anzubieten, müssen feste Veranstaltungen jedes Semester verbindlich angeboten werden. Momentan hängt das Angebot aber vom Usus und den Kapazitäten der übrigen Fachbereiche ab – und die können in jedem Semester neu aussehen.“

Schuld am Ende des Nebenfaches ist nach Ansicht des Fachschaftsrates außerdem die Umstrukturierung der Studiengänge von Diplom und Magister auf Bachelor und Master. „Die neuen Abschlüsse lassen weniger Spielraum für Genderthemen“, erklärt Bentrup. „Die Stundenpläne sind so voll mit Pflichtveranstaltungen, dass Dozenten einfach keine Lust haben, zusätzlich Genderveranstaltungen anzubieten.“

Andrea Blunck ist eine der Professorinnen, die zwischen zwei Fächern hängt: Zu Mathematik, Naturwissenschaften und Gender Studies bietet sie Veranstaltungen an. „Die Zulassungsstopps werden nicht wieder aufgehoben“, erklärt sie. „Aber Gender Studies sind nicht völlig tot.“ Bei den Einsparungen um Vollzeitkräfte des Bereichs seien vor allem die Finanzen ausschlaggebend gewesen. „Über das HWP-Programm für Wissenschaftlerinnen konnten die Stellen sechs Jahre über den Bund finanziert werden – ohne diese Zuschüsse können wir aber keine eigenständige Lehre garantieren. Es wäre unfair, Studierende ins Fach einschreiben zu lassen, wenn die Zukunft der Gender und Queer Studies nicht gesichert ist.“

Für Queer Theory gab es zuletzt im Jahr 2006 eine feste Professur. Nach Angaben von Steff Bentrup war die Soziologin Sabine Hark im Gespräch als feste Professorin des Bereichs – kurzfristig entschloss man sich jedoch für eine zeitlich begrenzte Stelle für die Philosophin Antke Engel. „Das Fach wird nun nicht mal mehr seinem Namen gerecht,“ erklärt die Studentin verärgert.