Musikalische Passagen übers Mittelmeer
: Erinnerungen an Andalusien

In der Küche ihrer Mutter gelernt haben will Yasmin Levy die sephardischen Balladen, die sie heute für ein neues Publikum aufbereitet. Dieses Liedgut geht auf jene Juden zurück, die nach der Rückeroberung Spaniens durch die katholischen Könige 1492 mit den Mauren von dort vertrieben wurden und sich, von Marokko über Saloniki bis Istanbul, an den damals muslimisch beherrschten Küsten des Mittelmeers ansiedelten.

Nur eine verschwindende Minderheit – in Israel und der Türkei – spricht heute noch das altertümliche Ladino. Doch in Wiegenliedern und liturgischen Gesängen hat sich das Erbe aus andalusischen Zeiten bewahrt. Mit ihrem am Flamenco geschulten Gesang und einer bewusst türkisch-orientalisch gewählten Instrumentierung haucht Yasmin Levy diesen uralten Liedern wieder neues Leben ein. Mit ihrer Leidenschaft setzt sich die Sängerin aus Jerusalem an die Spitze eines Revivals sephardischer Klänge, das von Musikern in Spanien, Griechenland und der Türkei vorangetrieben wird. Ihr Vater, der 1976 verstarb, hatte sein Leben der Sammlung und Archivierung der sephardischen Überlieferungen gewidmet. Er wäre erstaunt, könnte er sehen, welche Blüten diese Musik heute wieder treibt.

Yasmin Levy: „Mano Suave“ (H. Mundi)

Kräuter der Provence

Kennen gelernt haben sich ihre Eltern in Israel, aufgewachsen ist Karine Hallakoun alias „Sista K“ aber in Marseille. So kommt es, dass sie mit ihrem Watcha Clan, dem sie als Frontfrau vorsteht, nicht nur aus sephardischen und algerischen Einflüssen schöpft, die sie einst von ihrem Vater mitbekommen hat, sondern auch aus vielen anderen Facetten ihrer so mediterranen wie multikulturellen Hafenstadt.

Geprägt ist der Sound des Watcha Clans von den elektronischen Rhythmen des globalen Club-Undergrounds, von Jungle, Drum ’n’ Bass und anderen Breakbeats, ergänzt um die Farben des Maghreb und spezifische Kräuter der Provence.

Auf „Diaspora Hi-Fi“ herrscht ein babylonisches Sprachgewirr aus Arabisch, Hebräisch und Englisch, wobei der Eindruck eines orientalischen Basars überwiegt. Dabei wirft „Supreme Clem“, der Programmierer des Watcha Clans, beileibe nicht nur Berbergesänge aus dem Atlas-Gebirge, sondern auch Samples von osteuropäischen Blaskapellen oder Klezmer-Bands in seinen Mixer.

Damit knüpft der Watcha Clan an Londoner Bands wie die Asian Dub Foundation oder die Elektro-Klezmer-Pioniere von OiVaVoi an, erfindet aber seine ganz eigene Klangspur.

Watcha Clan: „Diaspora Hi-Fi“ (Piranha)

Balkan in Brooklyn

Anders, als der Name vermuten lässt, stammt die Band Balkan Beat Box nicht aus Osteuropa, sondern aus New York. Hinter diesem Namen verbergen sich der gelernte Klezmer-Klarinettist Ori Kaplan und der Punk-Schlagzeuger Tamir Muskat. Beide sind in Israel aufgewachsen, kennengelernt haben sie sich aber erst in Brooklyn.

„Nu Med“, ein Kürzel für „New Mediterranean“, haben Balkan Beat Box ihren Bastard aus Klezmer und Balkan-Fanfaren mit Hiphop und Dub-Reggae getauft – was wohl heißen soll, dass bei ihnen irgendwie alles zusammenfließt. Ihr Album „Nu Made“ enthält nun vor allem Remixe bewährter Titel, gehört aber ab sofort auf jede Party von Welt.

In den USA sind Balkan Beat Box das Zugpferd des kleinen Plattenlabels „JDub“, das neben Magazinen wie Heeb und JVibe für ein neues jüdisches Selbstverständnis steht. Zuvor hatten sie in der Balkan-Kapelle des ukrainischen Szene-Stars und Madonna-Freunds Eugene Hütz gespielt. Dessen „Zigeuner-Punk-Cabaret“ war ihnen dann wohl zu rockig, ihr eigenes Projekt kommt jedenfalls wesentlich elektronischer daher. Was nicht heißt, das man sich nun aus dem Weg geht: Unter dem Namen „Jewish-Ukrainische-Freundschaft“ arbeiten Eugene Hütz und Tamir Muskat noch immer zusammen. BX

Balkan Beat Box: „Nu Made“ (Crammed)