messerstecherei
: Total verkorkstes Selbstbild

Seit Ende letzten Jahres herrscht auf dem Kiez ein Waffenverbot – verhängt vom damaligen CDU-Senat und gewünscht auch von Mitgliedern der Opposition. Nur: geändert hat sich seitdem nicht viel. Das vergangene Pfingstwochenende hat wieder einmal gezeigt, dass das Waffenverbot, das nur für bestimmte Zonen gilt, eine Farce ist.

KOMMENTAR VON PHILIPP DUDEK

In jeder Großstadt ist Gewalt nicht auf ein bestimmtes Viertel begrenzt. Auch das hat das vergangene Wochenende gezeigt. Ein 13-Jähriger hat auf einem Bergedorfer Spielplatz auf seinen Sandkastenkontrahenten eingestochen. Das ist weit weg von jeder „Problemzone“, von der der damalige parteilose Innensenator Udo Nagel bei der Einführung des Waffenverbots sprach.

Mit dem Waffenverbot hat sich die Politik ein Alibi geschaffen. „Jetzt wird durchgegriffen“, sollten im Dezember vergangenen Jahres die Fotos suggerieren, auf denen der Innensenator beim Verbotsschild-Aufhängen zu sehen war. Tatsächlich aber ist Gewalt kein Problem von Ausgeh- oder Problemstadtteilen. Die Gewalt in der Großstadt ist das Problem perspektivloser junger Männer und ihrem total verkorksten Selbstbild, das sich aus Männlichkeitswahn, Profilneurosen und einem falsch verstandenen Ehrbegriff zusammensetzt.

Der neue schwarz-grüne Senat sollte sich nicht hinter Verbotsschildern verstecken. Sinnvoller wäre es groß angelegte Kampagnen gegen coole Messerstecher und lässige Schläger zu starten. Aufklärung, die in vielen Schulen und in vielen Stadtteilen nötig wäre. Nicht nur in Problemzonen.