Der Norden soll für die Vielfalt des Südens zahlen

Natürliche Vielfalt konzentriert sich auf wenige Regionen. Wirtschaftlich genutzt wird sie anderswo. Die UN-Konferenz will einen Ausgleich finden VON RAINER BORCHERDING

Beim Artensterben stehen sich zwei Positionen schroff gegenüber: die der Entwicklungs- und Schwellenländer des Südens, die gewissermaßen der Arten- und Genpool des Planeten sind, und die des Nordens, der zwar die wenigsten Arten besitzt, aber die größten Vorteile aus der Vielfalt zieht. Wie lässt sich ein Ausgleich finden zwischen dem artenreichen Süden und dem artenarmen Norden? Das ist der Konflikt auf der UN-Biodiversitätskonferenz in Bonn. 190 Staaten und 5.000 Teilnehmer versuchen, die UN-Konvention zur biologischen Vielfalt (Convention on Biological Diversity, 1994) so zu ergänzen, dass sie endlich wirksam wird. Unternehmen sollen künftig an Länder einen Ausgleich bezahlen, von deren Arten sie profitieren. Zudem soll ein weltweites Netz von Schutzgebieten entstehen. Der Gastgeber, Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD), warnte schon vor einem Scheitern der Konferenz. „Es muss einen Masterplan geben“, stimmte Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) zu. „Wir können nicht noch Jahre diskutieren.“

Konflikte sind vorprogrammiert. Denn die Vielfalt auf der Erde ist extrem ungleich verteilt. Biologen der Universität Bonn haben am Beispiel von Pflanzen (auf nebenstehender Weltkarte) gezeigt, dass die Schatzkammern der Vielfalt in den tropischen Regionen um den Äquator liegen. Von den 50 artenreichsten Gebieten finden sich 45 in den Tropen.

Die unmittelbare Verantwortung für den Erhalt eines Großteils der biologischen Vielfalt liegt also bei wenigen tropischen Ländern. Ihnen fehlt es an finanziellen Mitteln für einen wirksamen Schutz. Oft gibt es auch handfeste Gründe für die Zerstörung der Lebensräume: Das Holz gerodeter Wälder lässt sich ebenso vermarkten wie die Exportprodukte der dafür zerstörten Flächen.

Wirtschaftliche Vorteile aus der natürlichen Vielfalt entstehen anderswo: Der weltweite Handel mit Medikamenten auf pflanzlicher Basis beläuft sich auf geschätzte 500 Milliarden Dollar jährlich. Die Gewinne fallen in Staaten mit einer starken Chemie- und Pharmaindustrie an. Die meisten im Landwirtschafts- und Lebensmittelbereich vergebenen Patente werden in Japan beantragt, gefolgt von den USA und der EU.

Kein Wunder, dass allen voran Japan und die USA verhindern wollen, dass Entwicklungsländer Lizenzgebühren erhalten, wenn ihre Arten wirtschaftlich genutzt werden – eine der zentralen Fragen in Bonn. Mitarbeit: MALTE KREUTZFELDT