Akzeptanz als Alltagsaufgabe

Bei der Eröffnung des Homomahnmals im Tiergarten erinnert der Kulturstaatsminister an seine Entstehungsdebatte. Künstler Michael Elmgreen bleibt skeptisch, was die Gleichberechtigung angeht

VON JAN FEDDERSEN

Dieses Event könnte als die eigentliche Christopher-Street-Parade Berlins für dieses Jahr durchgehen. Wer sich am Dienstag gegenüber vom Holocaust-Stelenfeld sich einfand und Einlass in die weißen Zelte gewährt bekam, sah etwa 800 Männer und Frauen, die den Reden von Politikern und Politikerinnen lauschten. Der Anlass war das Denkmal zur Erinnerung an die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus, das endlich, nach anderthalb Jahrzehnten der Vorbereitung, Debatten in der Homocommunity sowie Lobbyarbeit in den überwiegend heterosexuellen Parteien, eingeweiht wurde.

Kulturstaatsminister Bernd Neumann sprach für einen Unionspolitiker sogar überraschend stolperfrei Vokabeln wie „schwul“ und „lesbisch“ aus. Die „Gleichberechtigung und die Akzeptanz von Homosexuellen“ zu bewahren oder zu erringen sei ein „plébiscite de tous les jours“, also eine Alltagsaufgabe. Die Einweihung des Denkmals, dies war die einzige Passage, in der der Unionspolitiker auf die bundesdeutsche Vergangenheit eingehen mochte, sei „in der Tat sehr spät“ erfolgt. Zur fehlenden Kussszene zweier Männer auf der Einladungskarte sagte Mahnmalskünstler Michael Elmgreen nur so lapidar wie realistisch: „Man akzeptiert Homosexuelle, aber man will uns nicht sehen.“

Immerhin verschwieg Neumann nicht, dass das Beste an dem Denkmal vielleicht auch die Debatte um es selbst sei. Vor allem erwähnte er die Intervention von vielen Lesben – in der taz durch Maren Kroymann, in der Emma durch Alice Schwarzer und viele andere –, die nicht hinnehmen wollten, dass die beiden Videomänner das unaustauschbare Symbol dieser Stele seien. Künftig, so Neumann, werde der Videofilm alle zwei Jahre erneuert, das nächste Mal gewiss mit einer weiblichen Perspektive. In ihren Reden widersprachen Albert Eckert von der Denkmalinitiative wie auch Günter Dworek vom Lesben- und Schwulenverband dieser Haltung. Alle zwei Jahre werde ein anderer Film gezeigt, aber nicht zwingend aus lesbischer Sicht.

Schließlich posierten die Politiker am Denkmal – alle im Bundestag vertretenen Parteien hatten ihre Vertreter zu dem hochsymbolischen Akt entsandt.

Fast fiel nicht auf, was bei den Ansprachen kühl publik wurde: Von den ehemaligen Opfern, den Männern mit dem rosa Winkel, war keiner bei der Feier anwesend. Der Grund: Es gibt niemanden mehr, der die Torturen als schwules Opfer des NS-Regimes bezeugen könnte. Der Letzte von ihnen, der Elsässer Pierre Seel, starb vor zweieinhalb Jahren. Auch dies kann gelesen werden als Stigma der Entwürdigung, das allen Homosexuellen verpasst wurde – auch von der Nachkriegslinken, die in ihren Opferreihen keine Schwulen haben wollten.

Auffällig bei dieser Zeremonie war, dass Neumann Lesben mit erwähnte und die Zerstörung ihrer Kultur durch die NS-Machtübernahme korrekt umriss. Auch sie waren Opfer jener Jahre, auch wenn sie strafrechtlich nicht verfolgt wurden. Allein: Die Präsenz von Lesben in dieser Denkmalskonstruktion wurde nicht von starker lesbischer Präsenz auf der Einweihungszeremonie belohnt. Weder Alice Schwarzer war da noch eine andere, die ihre Stimme erhob.

Linda Freimane aus dem lettischen Riga, Mitglied der International Lesbian & Gay Association, sagte, sie komme aus einem Land, in dem Homosexuelle nicht mal einen unbehelligten CSD durchführen können. Sie hoffe daher, dass Bundesregierung sowie Stadt Berlin ausländische Staatsgäste zum Mahnmal führen werden. „Es ist eine Mahnung an alle Länder, die Menschen wie uns noch verfolgen.“