dvd gegen rechts
: Gut gemeint

„Ich hab teilweise selber entdeckt, dass ich lüge“, sagt Gabriel Landgraf. Er trägt eine Schiebermütze, unter der braunes Haar hervorguckt; seine Interviewer haben ihn vor ein Hintergrundbild gesetzt, auf dem eine NPD-Demonstration zu sehen ist. „Ich hab diese Widersprüche einfach nicht zugelassen – ich wollte als Nazi funktionieren.“

Das Interview mit dem Neonazi-Aussteiger Landgraf ist das Highlight einer Dokumentation, die die Senatsinnenverwaltung am heutigen Freitag vorstellt. Die DVD „In Aktion – Jugendkongress gegen Rechtsextremismus“, die der taz vorab vorlag, zeigt Mitschnitte von der Konferenz im November 2007 sowie Interviews mit Beteiligten. Produziert wurde sie von Studierenden der Medienakademie.

Die Doku ist das erste DVD-Projekt der Senatsinnenverwaltung, sagte deren Mitarbeiterin Sylvia Gers der taz. Als Erinnerung soll sie an die 200 Konferenzteilnehmer gehen. 600 weitere Exemplare würden als Unterrichtsmaterial an alle Berliner Oberschulen verschickt.

Unterrichtsmaterial? Hm. Über weite Strecken gibt die Dokumentation lediglich das Konferenzgeschehen wieder. Schüler berichten von ihren Erlebnissen mit Rechtsextremismus und stellen wichtige Fragen – „Wie gehe ich mit den Rechten in meiner Klasse um?“ . Die Antwort aber wurde weggeschnitten. Unter der Rubrik „Promi-Statements“ dürfen die geladenen Honoratioren ihre Wortbeiträge abliefern: Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) erzählt, was er von den Jugendlichen gelernt hat; Innensenator Ehrhart Körting (SPD) freut sich über jugendliches Interesse; Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid tut kund, dass ihre Behörde einen „Beitrag zur Diskussion liefern“ wolle. Alba-Kapitän Patrick Femerling erklärt, dass sich nichts ändere, „wenn alle Leute wie Schafe in eine Richtung rennen“. Aha. Schüler brennen sicher drauf, sich das reinzuziehen.

In dem Kapitel „Mehr zu Rechtsextremismus“ werden junge Menschen auf der Straße gefragt, was ihnen zu bestimmten Themen einfällt: Wie wird man zum Nazi (Antwort: „Dummheit“), wie sieht ein Nazi aus („Glatze“), was ist Revisionismus („Keine Ahnung“). Schnitt – dann gibt ein Herr vom Verfassungsschutz die richtigen Antworten.

Gut an diesem Kapitel ist, dass rüberkommt, wie sich die Codes der rechten Szene verändert haben. Statt des stereotypen Glatze-Bomberjacke-Springerstiefel-Outfits bedienen sich die heutigen Rechtsextremen einer viel subtileren Symbolik und kupfern zum Teil bei der Antifa ab. Dass die bei Neonazis äußerst beliebte Klamottenmarke „Thor Steinar“ sich „ausdrücklich“ von der rechtsextremen Szene distanziert haben soll, wie auf der DVD behauptet, davon hat man allerdings noch nie gehört.

Wirklich spannend ist allerdings das Interview, in dem Exnazi Landgraf auch über die erfolgreiche Jugendarbeit seiner Neonazigruppe („Es hat erschreckend gut funktioniert“) und die Bedrohungslage nach dem Ausstieg („Mit körperlicher Gewalt wird angefangen“) berichtet. Das sind Innenansichten aus der Szene, die es selten zu hören gibt, seit der bekannte Naziaussteiger Ingo Hasselbach aus den Talkshows verschwunden ist.

Auch die auf der DVD mitgelieferten Hintergrundmaterialien und Kontaktadressen sind sicherlich hilfreich für Lehrer, die mit ihren Schülern zu diesem Thema arbeiten wollen. Ohne deren Engagement wird es allerdings weiterhin nicht gehen. Das sieht auch Gers so: „Die DVD kann kein Gespräch und keinen Lehrer ersetzen.“ Das kann man so stehen lassen.

GEORG FAHRION

Die DVD „In Aktion – Jugendkongress gegen Rechtsextremismus“ ist kostenlos bei der Senatsverwaltung für Inneres erhältlich