Haltefristen und Stellschrauben

Die anstehende Reform der Erbschaftsteuer kennt Gewinner und Verlierer. Die breite Mittelschicht wird profitieren, solange im engsten Familienkreis vererbt wird. Geschwister und Nichtverwandte gehören zu den Verlierern der Reform. Sie müssen voraussichtlich höhere Erbschaftsteuern zahlen

Die Reform des Erbschaftsrechts ist im Augenblick in der parlamentarischen Beratung und wird – trotz allen Parteienzwists – voraussichtlich zum 1. 1. 2009 in Kraft treten. Denn wenn das neue Gesetz bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht verabschiedet sein sollte, würde die Erhebung einer Erbschaftsteuer zum 1. Januar des kommenden Jahres komplett wegfallen. Diese Frist wurde durch das Urteil des Verfassungsgerichts gesetzt. Insofern steht der Gesetzgeber unter Handlungsdruck.

VON TILMAN VON ROHDEN

Seit Monaten streitet die Regierungskoalition heftig über die Reform der Erbschaftsteuer. Es geht auf den ersten Blick um viel Geld. In jedem Jahrzehnt werden schätzungsweise 2 bis 3 Billionen Euro vererbt. Doch die darauf erhobene Erbschaftsteuer ist vergleichsweise gering. Sie beträgt pro Jahr rund 4 Milliarden Euro. An dieser Summe soll sich auch nichts ändern, sehen die Absprachen in der Koalition vor.

Der DGB fordert dagegen ein Gesetz, das jährlich 10 Milliarden Euro Erbschaftsteuer einspielt. Auch die SPD würde die Erben gern stärker belasten, stößt mit diesem Wunsch aber bei der CDU auf taube Ohren.

Dass die Erbschaftsteuer überhaupt neu geregelt wird, liegt an einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Es hatte die bisherigen gesetzlichen Regelungen gekippt, weil unterschiedliche Vermögensarten unterschiedlich besteuert wurden. Profitiert hatten davon unter anderem die Erben von Betrieben und Immobilien. Letztere wurden nur zu 60 bis 70 Prozent des realen Wertes steuerlich berücksichtigt. Das höchste Gericht hat in seinem Urteil vom November 2006 entschieden, dass alle Vermögensarten gleich und marktnah bewertet werden müssen und nicht mehr kleingerechnet werden dürfen.

Politisch unstrittig ist mittlerweile die Besteuerung privater Vermögen. Änderungen wird es nur noch in Nuancen geben. Die kommende Regelung kennt Gewinner und Verlierer. Die breite Mittelschicht wird profitieren, solange im engsten Familienkreis vererbt wird. Selbst mittelgroße Häuser können dank persönlicher Freibeträge meist steuerfrei vererbt werden. Allerdings müssen Immobilien nach dem Verkehrswert, also dem realen Marktwert, angesetzt werden.

Profitieren werden erbende Ehegatten und nächste Verwandte wie Kinder oder Enkelkinder. Denn diese haben, je nach Verwandtschaftsverhältnis, Freibeträge von bis zu 500.000 Euro statt wie früher maximal 307.000 Euro. Kinder haben nach der neuen Regelung einen Freibetrag von 400.000 Euro. Die bisherige Regelung sah hier nur 205.000 Euro vor. Auch die Steuersätze für erbende Kinder fallen günstiger aus. Für ein Vermögen von 300.000 Euro entrichten Kinder künftig 11 Prozent Steuern, bisher waren in dieser Konstellation 15 Prozent fällig.

Geschwister, Nichten, Neffen und Nichtverwandte sind Verlierer der Reform. Sie müssen demnächst höhere Erbschaftsteuern zahlen, mindestens 30 Prozent sind fällig. Vereinzelt wird schon diskutiert, ob die Erwachsenenadoption eine Möglichkeit bieten könnte, der erhöhten Erbschaftsteuer zu entkommen.

Grundsätzlich können zukünftige Erblasser entfernte Verwandte oder Nichtverwandte adoptieren, auch dann, wenn noch keine dem Eltern-Kind-Verhältnis vergleichbare familiäre Bindung entstanden ist. Allerdings darf es bei der Adoption nicht ausschließlich um finanzielle Erwägungen gehen. Als „Nebenzweck“ sind wirtschaftliche Erwägungen jedoch zulässig. Es liegt an den Beteiligten, den Richter des zuständigen Vormundschaftsgerichts davon zu überzeugen, dass ein dem Alter entsprechendes Eltern-Kind-Verhältnis besteht oder entstehen wird. Dies setzt eine innere Verbundenheit sowie die Bereitschaft zum gegenseitigen Beistand voraus.

Auch die Besteuerung des betrieblichen Vermögens muss nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts neu geregelt werden. SPD und CDU streiten darüber heftig. Selbst nach Monaten der Diskussion ist kein Kompromiss in Sicht. Nach den jetzigen Verabredungen bleiben 85 Prozent des Betriebsvermögens erbschaftsteuerfrei. Mit dieser Regelung sollen Betriebe und die daran hängenden Arbeitsplätze vor gravierenden finanziellen Belastungen geschützt werden. Infrage steht insbesondere, wie lange ein Betrieb von den Erben fortgeführt werden muss, bis sie dieses Privileg beanspruchen können. Die SPD plädiert für 15 Jahre, die CDU hat sich auf 10 Jahre festgelegt. „Meine Partei ist bereit, die Haltefrist zu verkürzen, wenn an anderer Stelle den Anforderungen des Verfassungsgerichts Genüge getan wird“, sagt der Bundestagsabgeordnete Florian Pronold (SPD).

Stellschrauben seien die Höhe des steuerfreien Anteils im Vererbungsfall sowie Änderungen bei der erbrechtlichen Besteuerung von Unternehmen, deren Wert maßgeblich aus „Verwaltungsvermögen“ bestehe. Hierunter fasst man Gesellschaften, die beispielsweise Kunst oder Grundstücke verwalten. Das erwähnte steuerrechtliche Privileg, so viel ist klar, kann von den Erben nur beansprucht werden, wenn die Arbeitsplätze im Betrieb erhalten bleiben, wenn also die Lohnsumme während der Haltefrist nicht unter 70 Prozent sinkt und dem Betrieb kein Kapital entnommen wird.