Wiederholte Geschichte

Wechseljahr 2008 (17): Wie fühlt sich Amerika? Dagmar Herzog über die Verfasstheit einer Changing Nation

Ein unbeliebter Präsident führt einen katastrophalen Krieg am anderen Ende der Welt. Der Krieg wird in einem Land ausgetragen, das Amerikas Sicherheit nie bedroht hat. Es ist ein Krieg, den die USA im Großen und Ganzen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen angezettelt haben, einer, der das Volk im Zorn entzweit. Und es ist ein Krieg ohne voraussichtliches Ende – ein Krieg, den die USA nicht gewinnen können.

Selbstverständlich spreche ich von den Umständen im Jahr 1968. Aber nun, vierzig Jahre später, ist es (wie US-Amerikaner es gerne gedoppelt sagen) wie „déjà vu noch einmal“. Und das Jahr 1968 weckt auch andere traurige und bedauerliche Erinnerungen.

Im April 1968 wurde der prominenteste Afroamerikaner im Lande, Martin Luther King, Jr., tragisch ermordet. Im Juni 1968 – genau vor vierzig Jahren – wurde der charismatischste Politiker der Nation und der Mann, der auf dem besten Weg schien, der nächste Präsident der USA zu werden, ebenfalls umgebracht. Als die Nachricht des Attentats auf Robert F. Kennedy bekanntgemacht wurde, haben US-Amerikaner wahrscheinlich zum letzten Mal über den Tod eines Politikers öffentlich geweint. Und in diesen Tagen – bei Roberts jüngerem Bruder Edward wurde gerade ein Gehirntumor diagnostiziert – kippt die nationale Stimmung wieder ins Morbide.

Was hat sich Hillary Clinton eigentlich gedacht, als sie die Ermordung Robert Kennedys als einen weiteren guten Grund anführte, warum sie im Rennen für die demokratische Präsidentschaftsnominierung bleiben sollte? Weilten ihre Gedanken tatsächlich bei der Erkrankung von Edward Kennedy, wie sie sich zuerst beeilte zu erklären? Oder wurden ihre Worte aus dem Kontext gerissen, wie sie später behauptete? Oder war sie freimütig am Reflektieren über die Möglichkeit (über die viele Menschen, aber eben eher privat, sich schon eine Weile Sorge machen), dass Barack Obama, der prominenteste Afroamerikaner seit King und der charismatischste Politiker seit RFK, selbst Opfer eines Attentats werden könnte?

Die Geschichte wiederholt sich selten. Aber vielleicht hätte Clinton vorsichtiger sein sollen beim Aussprechen ihrer Ängste (oder waren es Wünsche?), wie sie doch noch die Rolle der demokratischen Kandidatin für das Präsidentenamt einnehmen könnte.

Nachdem Robert Kennedy gestorben war, nominierten die Demokraten einen parteitreuen Fahnenträger, Hubert Humphrey, der den unpopulären Krieg unterstützt hatte, bevor es für ihn zweckdienlich wurde, dagegen zu opponieren. Und dann gewann doch der republikanische Kandidat Richard Nixon die Wahl, der sich dazu verpflichtete, den Krieg so lange wie irgend nötig weiterzuführen. Und dieser dauerte dann noch mehrere Jahre – mit vielen Toten und Riesenausgaben –, bis die endgültige Niederlage den Abzug amerikanischer Truppen aus Vietnam ein für alle Mal erzwungen hat.

DAGMAR HERZOG, geboren 1961, Historikerin, forscht unter anderem zum Aufstieg der religiösen Rechten in den USA