Erotik im Süden

Katzenpisse

Wenn er sie liebt, sieht sie aus wie fünfzehn. Das liegt nicht nur an dem gedämpften Licht in dem Zehlendorfer Hotel, in dem sie sich treffen. Sondern vor allem daran, dass ihr Gesicht einen so kindlich-entspannten Ausdruck annimmt, wenn sie sich küssen. Er mag das sehr an ihr, hat er ihr gesagt.

Und ihr wiederum gefällt, dass er mit geschlossenen Augen noch viel sanfter aussieht als mit schmelzendem Schlafzimmerblick. In den wenigen Stunden, die sie miteinander verbringen, ist der Anteil schwitzig-gieriger Erotik ziemlich hoch.

Bis auf dieses eine Mal, als sie ihm unangekündigt eine junge Katze mitbringt. Er soll sie behalten, als Souvenir mit Kuschelfaktor, weil sie sich so selten sehen. Gut gegen Einsamkeit sei das auch, ergänzt sie. Trotzdem will er nicht. Das schwarzweiß gefleckte Kätzchen, mit „Mausi“ eher unpassend benannt, sei zwar niedlich, aber, doziert er, wenn er sich ein Haustier halten wollte, hätte er sich doch schon längst einen Hamster geholt. Außerdem verschenke man keine Tiere, das sei unfair, auch dem Viech gegenüber.

Aber das Kätzchen ist dem Tierheim nur knapp entkommen. Eine Freundin von ihr hatte die schwangere Mutterkatze dort ausgelöst. Es waren dann deutlich mehr Katzenbabys geworden als gedacht. Und er habe doch Zeit, sich zu kümmern. Er hatte doch neulich selbst gesagt, dass er noch ein Hobby suche, eines, das nicht zu aufwändig sei.

Es ist gemein: Er muss die Katze wider Willen nehmen, er kann jetzt nicht mehr nein sagen. Erst als das Kätzchen aufs Laken macht und es für den Rest des Abends nach Katzenpisse stinkt, bereut sie ihre Tat, denn die Romantik des Abends ist dahin, unwiderruflich.

GISELA SONNENBURG