Länder wollen mehr Geheule

Nachdem der Eiserne Vorhang gefallen war, wurden viele Sirenen abmontiert. Doch inzwischen fragen sich die Bundesländer, wie sie die gesamte Bevölkerung vor Terroranschlägen warnen sollen

VON ULRIKE HEITMÜLLER

Wenn in Berlin ein Terroranschlag passiert, muss die Polizei mit Lausprechern warnen. „Mangels anderer Möglichkeiten müssen wir das so machen“, sagt Michael Wiegand. Er ist in der Senatsverwaltung für Inneres zuständig für die Warnung der Bevölkerung. Denn die früher überall präsenten Alarmsirenen wurden fast alle abgebaut.

Nach dem Kalten Krieg erschien der Heulalarm vielen Ländern unnötig. Zwar bot der Bund in den 90er-Jahren an, die Sirenen zu übernehmen, doch kaum jemand ging darauf ein. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 hat sich jedoch nach Ansicht der Sicherheitsbehörden die Terrorgefahr erhöht. „Und Anschläge sind Ländersache“, sagt Karsten Mälchers, Sprecher des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Die Länder verfügen jedoch über kein angemessenes Warnsystem.

Zwar ließ die Bundesregierung anstelle der Sirenen ein bundesweites satellitengestütztes Warnsystem SatWaS installieren. Damit werden ins Fernsehbild warnende Nachrichtenbänder eingespeist und Radiosendungen mit einer Warndurchsage unterbrochen. Aber wer hat nachts schon Computer, Radio oder Fernseher an?

Deswegen sind sich die Bundesländer einig: Sie wollen – laut Auskunft mehrer Landesinnenministerien – ihre Sirenen zurück. Bezahlen soll der Bund. Das würde insgesamt rund 130 Millionen Euro kosten, so eine Schätzung des Innenministeriums Baden-Württemberg. Dazu kämen die Kosten für Wartung und Unterhalt. Aber der Bund scheint mit SatWaS zufrieden zu sein. Und die Innenministerkonferenz kommt nicht weiter: „Da ist das Thema immer mal wieder auf der Tagesordnung und wird diskutiert“, sagt Karsten Mälchers. Ein Ergebnis sei nicht in Sicht.

Zwischendurch wurden auch andere Warnsysteme getestet. 2003 gab es beispielsweise einen Feldversuch, mit Funkweckern zu warnen. Durchgesetzt hat sich die Idee bisher nicht. Deswegen gibt es vielerorts ein Warnwirrwarr. Das Paradebeispiel dafür ist Baden-Württemberg. Dort gibt es nicht nur hochwassergefährdete Gebiete, sondern auch Kernkraftwerke und chemische Großanlagen. Trotzdem „entscheidet die Gemeinde, auf welche Weise die Menschen alarmiert werden. Das reicht vom Büttel über Lautsprecherwagen bis hin zu Radiodurchsagen“, heißt es aus dem dortigen Innenministerium. In Hamburg dagegen sollen in den kommenden Jahren alte Motorsirenen gegen elektronische Sirenen ausgetauscht werden. Die sollen viel lauter sein, „eine neue Sirene kann zwei bis drei alte ersetzen“, sagt Kay Finger, der in der Hansestadt für Katastrophenschutz zuständig ist. In Nordrhein-Westfalen fängt man gerade erst an, sich überhaupt „landesweit Gedanken zu machen“, sagt Marc Pojer, Mitarbeiter beim Katastrophenschutz im Düsseldorfer Innenministerium.

Inzwischen bemüht sich auch der Rat der EU und das Europäische Parlament um ein europaweites einheitliches Warnsystem. Bisher ohne Erfolg.