Im Kohlenkeller des Kunstbetriebs

In Hannover huldigen sie jetzt der Schwarzmalerei: Die Kestnergesellschaft zeigt „Back to Black“ – eine Ausstellung mit 21 düsteren Nachwuchskünstlern. Leider wirken in der Schau manche Stücke epigonenhaft und langweilig

Es gibt diesen Moment, da fühlt man sich im großen Saal der Kestnergesellschaft wie im Zentrum eines schwarzen Lochs

VON TIM ACKERMANN

Thomas Zipp ist beruflich ein Schwarzseher: „Black Monday“ hat der Berliner Künstler sein Bild genannt, das aus nicht viel mehr besteht, als aus einer schwarzen Leinwand mit schwarzen Schlieren und ein paar kleinen roten Dreiecken. Das Depri-Painting wäre weniger bemerkenswert, wenn es der Künstler nicht zur Serienreife gebracht hätte. Neben „Black Monday“ gibt es noch „Black Tuesday“ bis „Black Sunday“, und natürlich sind die Bilder alle schwarz, schwarz, schwarz. Scheint nicht Zipps Woche gewesen zu sein.

Es gibt diesen Moment, da fühlt man sich im großen Saal im Erdgeschoss der Hannoveraner Kestnergesellschaft wie im Zentrum eines schwarzen Lochs, das alle Farben aus den Bildern gesaugt hat. An den Wänden hängen nur monochrom schwarze Gemälde in unterschiedlichen Größen und Qualitätsstufen. Es scheint, als hätten Sittenwächter riesige Zensurbalken über die Bilder geklebt. Aber natürlich hat die Schwarzmalerei einen ganz anderen Grund.

„Back to Black“ heißt die Ausstellung, die mit dieser Anlehnung an das gleichnamige Lied von Soul-Diva Amy Winehouse ein verräterisches Quäntchen Hipness durchblitzen lässt. Die Kestnergesellschaft hatte sich schon im letzten Jahr mit dem Kunstverein Hannover und dem Sprengel-Museum als Kanongeber für die zeitgenössische Kunst „Made in Germany“ inszeniert. Nun versuchen sich Kestner-Chef Veit Görner und sein Kuratorenteam noch einmal allein als Trendscouts und zeigen 21 internationale Nachwuchsmaler, die sich gerne Schwarz auf die Palette laden.

Im Kohlenkeller des Kunstbetriebs gibt es einige Perlen zu entdecken: Gregor Hildebrandt etwa, dessen Riesenformate aus schmalen Streifen Musikkassettentonband zusammengeklebt sind. Der Künstler hat dafür Lieblingssongs mehrmals hintereinander auf Kassetten aufgenommen, und wer schon immer der Meinung war, dass The Cure düsterer sind als Nick Cave, hat jetzt den visuellen Beweis: Beim Sänger der Bad Seeds sind weiße Tonbandendstücke im Bild verteilt. The Cure sind einfach nur schwarz.

Hildebrandt tritt mit seinen Popsong-Gemälden geschickt aus dem Schatten der großen Malerheroen. Malewitschs Quadrat und die abstrakten Maler der New York School haben ja eigentlich wenig Spielraum für Innovationen des monochrom-schwarzen Bildes gelassen. Andere Werke in der „Back to Black“-Schau wirken deshalb auch epigonenhaft und langweilig. Wilhelm Sasnal schlitzt die Leinwand wie Lucio Fontana – nur eben in Schwarz. Ned Vena lässt in ihren Bildern Kreuze und Quadrate hervortreten, die an Ad Reinhardt erinnern, und Rafal Bujnowski zieht die schwarzen Striche schräg über die Leinwand. Leider hat das Frank Stella vor 50 Jahren auch schon gemacht.

Schwarz kann also eine Strategie sein – auch in der gegenständlichen Malerei, wie man bei Pat Rosenmeier und ihrer „Black Magnolia“ sieht. Das Schwarz dient der Künstlerin als Mittel, um Dekorativität zu vermeiden und als Vorwand, um das abgegraste Genre des Blumenstilllebens wieder für sich nutzbar zu machen. Blöd nur, dass eine schwarze Magnolie auch nicht spannender wirkt als eine klassisch weiße.

Wenn also „Back to Black“ eine Reise zurück in die Zukunft des Schwarz postuliert, gelingt das nur, wenn es entweder formal überraschend eingesetzt wird, so wie bei Hildebrandt, oder wenn die Farbe nicht zum Hauptthema des Bildes gemacht wird. Yehudit Sasportas Waldszenen würden wohl auch in Grün funktionieren. Doch gerade weil sie mit schwarzer Tinte auf weißem Papier arbeitet, ergeben sich die erwünschten harten Kontraste. Janis Avotins Gemälde faszinieren zunächst, weil der Künstler ungegenständliche Farbmassen ineinander fließen lässt, nur um am Ende ein paar Figuren einzufügen, die den Hintergrund als aufeinanderprallende Naturgewalten umdefinieren.

Dass die Bilder in Schwarz- und Grautönen gemalt sind, scheint zusätzlich als ein interessantes ironisches Spiel mit den Erwartungen des Betrachters an das Couleur eines romantischen Bildes. Armin Boehm letztendlich benutzt das Schwarz vor allem dazu, um die anderen Farben seiner nächtlichen Stadtlandschaft, die Fenster und Lampen, zu einem umso schöneren außerweltlichen Leuchten zu bringen.

Der schwarzen Kunst wird also in Hannover zur Genüge gehuldigt, und man kann gespannt den nächsten Ausstellungen entgegensehen. Der Marktgerechtigkeit halber, und um weniger depressive Sammler zu bedienen, wären jetzt die goldenen und pinken Maler an der Reihe.

Bis 10. August in der Kestnergesellschaft, Katalog 49 Euro