Geschichten aus dem Salzburger Land

Man kann zu Mittag für 35 Euro bei Obauer einen Dreigänger verspeisen. Wir wählten eine Fischvariation (Waller auf Paprikasauce und Saiblingfilets auf Frischkäse und Salat), Spargel mit Venusmuscheln (wahlweise ein Curry vom Werfener Lamm). Zum Abschluss gab es ein Kokossoufflé mit Rhabarbereis, Erdbeeren und Minze – dazu diverse Extras, Patisserie, selbstverständlich alles hausgemacht.

Wer’s rustikaler mag, verspeist im Gastgarten ein mustergültig zubereitetes Wiener Schnitzel vom Pinzgauer Kalb (24 Euro) und trinkt dazu ein kleines Bier (2,20 Euro). Am Abend lässt sich der Spaß auf sechs Gänge ausdehnen (88 Euro, plus diverser unangekündigter Zwischenhäppchen). Wer sich vom Sommelier des Hauses zu jedem Gang einen passenden österreichischen Wein auswählen lässt, kommt auf insgesamt etwa 150 Euro. Karl und Rudi Obauer haben diverse Kochbücher herausgebracht. Bei Droemer Knaur ist für Juni ein weiteres angekündigt.

Werfen hat einen Bahnhof und ist per Regionalbahn regelmäßig und bequem von Salzburg aus zu erreichen. Zu Fuß spaziert man eine Viertelstunde vom Bahnhof zum Restaurant. Eine Tischreservierung empfiehlt sich +4 36 46 85 21 20. www.obauer.com A. FANIZADEH

Die Obauers aus Werfen oder Wie die Internationalisierung der Gourmetküche gegen die berüchtigte Thomas-Bernhard’ sche Alpendepression hilft. Ein Bericht aus den Salzburger Kalkalpen, wo Gamsbock auf Autobahn trifft, die tropische Mango auf Lavendel und den heimischen Topfen

VON ANDREAS FANIZADEH (TEXT) UND EVA-CHRISTINA MEIER (FOTOS)

Graublau schimmern die Felswände, die hier ohne Vorwarnung aus dem Salzachtal in die Höhe schrammen. Auf den Gipfeln liegt auch im Mai Schnee. Klein scheint da der Mensch, und bei schlechter Stimmung kann die gewaltige Kulisse erdrückend wirken. Ausgerechnet in dieser durch die raue Natur limitierten Umgebung haben die Gebrüder Obauer eine der anspruchsvollsten Küchen Österreichs entwickelt. Im Dreitausendseelendorf Werfen, mitten im Hochgebirge.

„Salzburg ist eine perfide Fassade“, schrieb der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard einst. „Meine Heimatstadt ist in Wirklichkeit eine Todeskrankheit“, so der Salzburger Misanthrop, ein „durch und durch menschenfeindlicher, architektonisch-erzbischöflich-stumpfsinnig-nationalsozialistisch-katholischer Todesboden“. Seinem Roman „Die Ursache“ stellte er 1975 eine Notiz aus den Salzburger Nachrichten voran: „Zweitausend Menschen pro Jahr versuchen im Bundesland Salzburg ihrem Leben selbst ein Ende zu machen, ein Zehntel dieser Selbstmordversuche endet tödlich. Damit hält Salzburg in Österreich, das mit Ungarn und Schweden die höchste Selbstmordrate aufweist, österreichischen Rekord.“

Werfen ist eine halbe Autobahnstunde von Salzburg und eineinhalb Stunden von München entfernt. Der Hochkönig, Gipfelhöhe 2.941 Meter, thront im Rücken des Dorfs. Gegenüber, ostwärts und wie vom Spaten abgestochen, ragt die mächtige Wand des Tennengebirges empor. 2.400 Meter. Vom Hinaufschauen kann man einen steifen Nacken bekommen. Das Tal ist schmal, und Werfen, das 3.000-Seelen-Dorf, liegt auf 500 Meter. Wer gerne und gut isst, bringt sich nicht um, könnte man in entgegengesetzter Übertreibung zu Thomas Bernhard und der Stimmung in den Siebzigern heute sagen. Bernhard ist tot, ebenso eine gegenteilige Symbolfigur wie Herbert von Karajan, Mitläufer, Begünstigter und Strippenzieher, Salzburger Festspieldirektor mit der NSDAP-Mitgliedsnummer 1607525. Die Region hat sich entmottet und statt den Anschluss an Deutschland den Anschluss an das Internet und die Welt gefunden. So scheint es.

Wie eng auch immer der Zusammenhang von ferner gerücktem Postfaschismus, erweiterter Genussfähigkeit und Lebensfreude in Salzburg und im Salzachtal tatsächlich sein mag, Gourmetreisende finden in Werfen bei den Obauers reichlich Antidepressiva. Zum Start ein Glas des rosafarbenen Schilcher Frizzante aus der Südsteiermark, eine Wallersulze mit Sauerkraut und Forellenkaviar, damit lässt es sich leben. Das Salzburger Land bot Leuten, die sich dafür interessieren, was sie in sich hineintun, bevor es wieder herauskommt, immer schon eine gute Ausgangsbasis. Bis heute riecht die Gegend hinter dem Pass Lueg und den wilden Salzachöfen nach leckeren Mehlspeisen oder Geräuchertem mit Kraut und Knödeln.

Man kann in vielen „einfachen“ Gasthäusern gut speisen. Doch die Zeit ist auch an Österreichs Herdplatten nicht stehen geblieben, Ansprüche und Möglichkeiten sind mit der neuen Beweglichkeit von Mensch und Ware gewachsen. Karl und Rudi Obauer haben dies früh erkannt und die heraufziehende Globalisierung als Chance begriffen. „Räucherforelle mit Hummer und Rochen“, „Pinzgauer Kalb mit Artischocken und Mandel-Bohnen-Creme“ oder „Seeteufel mit Jakobsmuscheln, Spargel und Blaukrautsauce“ sind nun die Resultate und zieren heute ihre Speisekarte.

„Die Gäste von auswärts bevorzugen eine regionale Note, die Einheimischen wollen internationales Essen“, fasst Karl Obauer die Grundlage ihrer Forschung sachlich zusammen. Er ist der ältere der beiden Gourmet-Brüder, ein kantiger Typ, der – wie soll’s auch anders sein – in seiner kargen Freizeit gerne die Berge besteigt oder trotz der extremer Hanglagen Mountainbike fährt. „Meine herzlichen Glückwünsche an die Gebrüder Obauer, die mit viel Gefühl Kochkunst in ihrer schönsten Form präsentieren“, applaudierte ihnen dafür mit Paul Bocuse in den Neunzigern einer der ganz Großen der Zunft und lobte: „Ihre Rezepte haben stets Bezug zu den Wurzeln der Region, und doch erfüllen sie alle Kriterien einer modernen Küche.“

Karl und Rudi Obauer haben beharrlich an ihrer Marke gefeilt. Das Gastgewerbe ist ein harter Job, und die beiden Brüder sind stolz, bis heute ohne fremde Geldgeber ausgekommen zu sein. Unabhängigkeit und Führungsrolle haben ihren Preis: Die Köche stehen mit den Hühnern auf. Einer von beiden kocht immer, der andere kümmert sich um den Empfang. Die Gäste sollen den echten Obauer sehen und schmecken.

Karl Obauer humpelt einen Tag nach einer Meniskusoperation auf Krücken mittags durch den Gastgarten. Er setzt sich und schaut in den Himmel. Eine Arbeitspause brauche er nicht. Für ihn und Rudi habe es nach der Hauptschule außer Frage gestanden, sagt er, Koch zu werden. Das lag einfach nahe, bei einer Familie von Metzgern, Bäckern, Bauern und Wirtsleuten. Bruder Rudi, der jüngere Obauer, reagiert bei so viel genealogischer Festlegung leicht abwehrend: „Na, na, mi hat nie jemand gefragt.“ Bei den Worten des Jüngeren rollt der Ältere die Augen und seufzt leicht, aber deutlich hörbar auf: Rollenspiele einer eingeübten Beziehung. Doch trotz des aufbegehrenden Zwischentons lässt auch Rudi Obauer keinen Zweifel an der richtigen Wahl seiner Profession: „I hob des Glück, des i noch nie in der Früh aufgstanden bin und gedacht hab: Leck mi am Arsch.“ Auch wenn die österreichische Küche – im Gegensatz zur italienischen, wie Rudi Obauer an anderer Stelle bissig anmerkt („Bisschen Tomate und Mozzarella schneiden und Basilikum drüberstreuen“) – eine richtige „Arbeitsküche“ sei. Eine Küche, deren Arbeit sie bis heute nicht scheuen. „Respekt natürlich, dass Karl und Rudi Obauer nicht nur anwesend sind, sondern auch immer noch selbst kochen“, schreibt der aktuelle Gault Millau.

Neben dem zielstrebigen Ausbau der heimischen Gerichte durch Vermischung mit Internationalem standen die Köche aus Werfen zunächst vor der Aufgabe, das allzu Altbewährte an der österreichischen Küche zurückzudrängen. Bis heute paniert das „einfache“ Österreich von der Leber bis zum Champignon alles, was verspeisbare Fläche bietet, und tunkt es dann auch noch gern in Remouladensoße. In den traumhaften alten Wiener Arbeiterbädern gehört der Schweinsbraten mit Knödel sommers zum selbstverständlichen Angebot, genauso selbstverständlich, wie die FKK-Abteilung im Körperumfang zumeist recht stattliche Menschen zeigt. „Wir haben als Erstes die österreichische Küche entfettet“, sagt Rudi Obauer.

Aber nicht so sehr, muss man hinzufügen, dass das tierische Fett als Aromaträger gänzlich verdrängt worden wäre. Bei der innovativen österreichischen Obauer-Küche geht es vor allem um eine beherzte Redimensionierung der Mengen und um die Verwendung besserer Produkte. „250 Gramm Leberkäs, dazu ein fettes Erdäpfelgröstel, früher war das ein Arbeitsessen“, sagt Rudi Obauer. Und Karl ergänzt: „Heute kann das ein Mensch nicht ansatzweise vor dem PC wieder abarbeiten.“ Und natürlich sehe der Landwirt daher in der Regel anders aus als ein Büromensch. Der Bauer werde „brutal hergestellt“, wie Karl Obauer betont. Früher noch ein bisschen brutaler als mit den Maschinen von heute: harte Arbeit, schweres Essen und weder Sport noch Diäten.

Nicht dass man bei Obauers nicht satt würde. Das Gegenteil ist der Fall. Die Köche servieren zum Frühstück als eine der unangekündigten Überraschungen eine Bouillon mit einem kleinen, aber äußerst potenten „Kraftknödel“, persönlich und im silbernen Service. Aber statt wie in einer Dorfkneipe einmal unipaniert und extra large zu dinieren, darf man hier und heute sechsmal extra small und detaildifferenziert schlemmieren. Ein berühmtes Obauer-Gericht sind die „Schweinsbackerl“, aber zur Füllung verarbeitet, ummantelt von zierlichen Teigtaschen. Das schmeckt und schreit nicht sofort nach dem nächsten Fitnesscenter. Auf den ersten Blick zumindest nicht, eingebaut in einen raffinierten Sechsgänger kann dies nach genussvoller Hingabe jedoch trügerisch sein.

Die Schweinsbackerl haben die örtlichen Schlachter zu Beginn der Gourmetära im Tal noch weg-, dann den Obauers hinterhergeschmissen. Aber wie das so ist mit Angebot und Nachfrage: Inzwischen haben die Erzeugerpreise für Schweinsbackerl & Co deutlich angezogen, wie die beiden Köche schmunzelnd berichten. So ist das nicht nur im Salzburger Land: Am Anfang lachen die Leute über neue Ideen. Wenn’s dann läuft, wird gerne partizipiert. Und dass es hier im Tal ganz gut läuft, ist unschwer zu übersehen. Kleine Dörfer wie Werfen oder Pfarrwerfen unterhalten eigene Freibäder. Das benachbarte Pfarrwerfen hat gerade erst in ein neoalpin-sachliches Gemeindezentrum sowie eine Feuerwache am Dorfrand investiert. Der höher gelegene Skiort Werfenweng versucht, der Klimaerwärmung mit eigenen Ökoimagekampagnen zu trotzen. Und er hat – nachdem Generationen von Kindern frost- und angststarr über Schwindel erregenden Schluchten in Einersesselliften klemmten – endlich in eine moderne Gondel auf die malerische Bischlinghöhe investiert.

Der Tourismus ging in den letzten Jahren weg von der Masse, hin zur Qualität. Die Obauers profitieren davon. Und von der Prominenz der nahen Festspielstadt Salzburg natürlich, die für zahlungskräftigen internationalen Nachschub sorgt. Für Aufsehen sorgen in Salzburg Speisestätten wie das Ikarus, ein Luxusrestaurant im Zeitalter der Medienköche. Es gehört dem Redbull-Fabrikanten Dietrich Mateschitz und befindet sich in einem gläsernen Hangar am Salzburger Flughafen. Monatlich werden hier wechselnde Spitzenköche eingeflogen. Bevor ein Salzburger an Langeweile oder Standesdünkel zugrunde geht, soll er wenigstens gut essen. Für die bodenständigen Obauers belebt die Konkurrenz das Geschäft. Ihre Kalkulation ist einfach: Wer in einem der vielen ausgezeichneten Restaurants „draußen“ in Salzburg speist, schaut auf früh oder lang auch bei ihnen in Werfen vorbei. Außer ihnen gibt es schließlich nur noch zwei weitere Lokale in Österreich, die mit 19 von 20 Gault-Millau-Punkten bewertet sind. Sie können es sich leisten, auf Jetset-Allüren zu verzichten.

Ausgezeichnet mit vier Gault-Millau-Hauben, gehört ihr Lokal im tiefen Salzachtal nun seit Jahren zur Avantgarde in Österreich. Eine „Topfenmango mit Lavendel und Mango-Ingwer-Sorbet“ durfte man hier noch Anfang der Achtziger kaum vermuten. Mittlerweile hat die neue Beweglichkeit Österreich und das ganz Land in seiner Breite erfasst und durchdrungen. Wo reiche Hamburger zum Abendessen in den Hangar am Salzburger Airport fliegen, scheint auch so manch alter österreichische Stadt-Land-Gegensatz zu verblassen. Und so klingt es auch nicht mehr skurril oder komisch, wenn Karl und Rudi Obauer, nach dem Standort ihres Betriebs gefragt, sagen, dass sie es hier in Werfen „einfach am schönsten“ fänden. Bevor es bei ihnen zu Hause am schönsten wurde, waren sie aber auch schon mal weg. Karl Obauer hat zur See auf Luxusschiffen und in der österreichischen Nobelgastronomie am Arlberg und Salzburg gearbeitet, Rudolf Obauer den französischen Erbfeind ausspioniert und sich westwärts die Gunst von Dreisterneköchen erworben.

Am schönsten ist es dort, wo einem die Welt die meisten Möglichkeiten bietet. Für Karl und Rudi Obauer ist das in Werfen, dem alten Marktflecken, eingeklemmt zwischen Hagen- und Tennengebirge im Salzachtal. Der Ort wirkt nicht idyllisch, aber intakt. Die Hutmacherei Zapf könnte mal die Auslagen erneuern, aber sie existiert noch, ebenso wie der Gendarmerieposten und eine Metzgerei. Der Durchgangsverkehr braust heute – gut hörbar – über die Tauernautobahn an Werfen vorbei. Früher ging der Verkehr über die alte Bundesstraße mitten durchs Dorf. Monumentale Autobahnbrücken zerschneiden nun stattdessen das Tal, und eine riesige Baustelle kündet davon, dass auch die wilde Zeit des Flusses hier bald vorbei sein soll. Die Salzach wird zur Stromgewinnung aufgestaut, und die garstige Baustelle lässt im Frühsommer 2008 keine allzu idealisierende Stimmung aufkommen.

Neben Autobahnbrücke, Fluss und Gebirge ist als weiteres Wahrzeichen Werfens eine alte Ritterburg zu nennen. Sie bestimmte das lokale Aroma weit vor den Obauers und sitzt auf einem früher uneinnehmbaren Hügel. Die Burg Hohenwerfen diente den Erzbischöfen von Salzburg vor allem zur Glaubens- und Bauernunterdrückung, später den Nazis in den Anschlussjahren als Schulungsstätte. Zweckmäßig, wie man nach 1945 dachte, residierte dort dann eine Ausbildungsstätte der Gendarmerie. Schließlich wurde die Burg zur heutigen Eventfeste ausgebaut. An schönen Tagen schweben dressierte Falken über den Türmen, an anderen marschiert das Volk verkleidet zum Mittelalterschmaus heran. Für die Region ist sicher auch als ein Fortschritt zu nennen, dass man öffentlich lieber „antinapoleonischen Freiheitskämpfern“ huldigt als halböffentlich den braunen Kulten. Die Landjugend trägt bei lokalen Feierlichkeiten weiterhin Tracht, aber leger und mit jugendkulturell beeinflussten Codes und Frisuren. Über die Eisenbahn, den Bergbau und die Eisenverarbeitung waren schon früher türkische Arbeiter zugezogen. Auf den öffentlichen Spielplätzen sind heute aber auch Salzburgerisch sprechende Frauen asiatischer Herkunft anzutreffen.

Ob’s ein Zufall ist? Obauers internationaler Durchbruch fällt in die gleiche Zeit wie das Erscheinen der ersten Publikationen zum nationalsozialistischen Gau Pongau und dem damaligen Vernichtungslager für sowjetische Kriegsgefangene in der nahen Bezirkshauptstadt St. Johann. „Mal schön die Kirche im Dorf lassen“, würde Karl Obauer auf solch herbeikonstruierte Analogien sagen.

Das Gourmetrestaurant von Karl und Rudi Obauer liegt in Werfen im Salzburger Land. Die Obauers betreiben eine der drei höchstausgezeichneten Küchen Österreichs. Früher war die Region im Salzachtal besonders im Winter kaum erreichbar. Heute dauert die Autobahnfahrt von Salzburg eine halbe Stunde, von München eineinhalb Stunden.

Der Anschluss an die Welt fordert auch seinen Preis. Unübersehbar fressen sich die Bauwerke der Mobilität und Naturbeherrschung durchs Tal. Und immer öfter haben die Skigebiete oben in Werfenweng oder am Hochkönig nicht genug Schnee. Dafür sind die Obauers unten im Tal das ganze Jahr erreichbar, Voraussetzung für die Entwicklung einer international konkurrenzfähigen Gastronomie.

Bei traditionellen Volksfesten wie dem Maibaumaufstellen tragen die Menschen hier im Tal noch Tracht. Doch bei den ideologischen Aussagen, die sich damit verbinden, sollte man nicht voreilig sein. Sicher ist, dass die Leute im Salzburger Land von ihrer Grundtendenz her wertkonservativ sind. Bei einer gleichzeitigen Öffnung und Internationalisierung kann dies – siehe Obauer – zu interessanten Ergebnissen führen. Bei Werfen liegt die Eisriesenwelt, eine der größten bekannten Eishöhlen der Welt. A. FANIZADEH

Gelassenheit ist natürlich eine Möglichkeit, auf Unbill zu reagieren. Und nicht die schlechteste, wo es um aktuelle Auseinandersetzungen des Gastgewerbes geht. Jahrelang gehörten die Obauers zu jener Handvoll Spitzenrestaurants in Österreich, die mit einem zweiten Michelin-Stern ausgezeichnet waren. Der kam nun letztes Jahr auf rätselhaft Weise abhanden. Das schmerzt. „Damit müssen wir leben“, sagt der eine, der andere zählt im Schnelldurchgang ihre aktuellen Spitzenplatzierungen auf. Es bleibt ja noch die Höchstbewertung der für Österreich wichtigeren Gault-Millau-Kritiker. Nichts deutet darauf hin, dass die computernavigierten Limousinen künftig einen Bogen um den „Forellenstrudel mit Veltlinersauce und Champignonpüree“ in Werfen machen werden. Für die Gourmets ist ihr Konzept der Mischung von Lokalem und Internationalem, Strenge und Ausschweifung einfach zu verführerisch und auf sehr hohem – aber weltlichen Niveau, was Etikette und Preise anbetrifft – realisiert.

„Kennst du den? Was kommt in die Knackwürstel rein? –

Die Restel vom Leberkäs. –

Und in den Leberkäs? –

Die Restel vom Knackwürstel.“

(Josef Hader als Privatdetektiv Simon Brenner im Abspann des Films „Silentium“, nach dem Salzburg-Roman von Wolf Haas.)

In der Differenz der Schriftsteller Thomas Bernhard und Wolf Haas liegt der Kern der Mango begraben.

ANDREAS FANIZADEH, JAHRGANG 1963, ist Ressortleiter der taz-Kulturseiten. Bis zu seiner Einschulung lebte er in Pfarrwerfen, heute lebt er in Berlin EVA-CHRISTINA MEIER ist Künstlerin und hat gerade für die Zeitschrift Wespennest eine Ausgabe zur argentinischen Gegenwartsliteratur zusammengestellt