„Mehr tun zum Schutz der Kinder“

Unicef-Vizedirektorin Hilde Johnson fordert ein stärkeres Engagement im Kampf gegen Kinderprostitution

HILDE JOHNSON, 44, ist stellvertretende Unicef-Direktorin. Von 1997 bis 2005 war die Christdemokratin norwegische Entwicklungsministerin. Sie wurde in Tansania geboren und wuchs in einer christlichen Missionarsfamilie auf. Zusammen mit drei anderen Ministerinnen gründete sie die „Utstein-Initiative“.

taz: Frau Johnson, Sie versuchen, Themen wie Kinderhandel oder Kinderprostitution an die Öffentlichkeit zu bringen. Ist das schwierig?

Hilda Frafjord Johnson: Das sind keine Tabuthemen für Deutschland oder Westeuropa. Jedoch bekommen sie weniger Aufmerksamkeit und sind schwierig zu diskutieren. In anderen Ländern sind Kinderhandel und sexuelle Ausbeutung der Kinder ein größeres Problem, zum Beispiel in der ehemaligen Sowjetunion. Dasselbe gilt für viele Entwicklungsländer, wo Religion und Traditionen eine stärkere Stimme haben als die sexuelle Aufklärung. Dort sind Kinderhandel und sexuelle Ausbeutung der Kinder ein Tabu. Umso wichtiger ist es, diese Themen zu einer internationalen Agenda auf dem Weltkongress in Rio de Janeiro im November zu machen und Regierungen aufzufordern, etwas zu tun.

Es hat sehr lange gedauert, bis sich zum Beispiel die deutsche Fluggesellschaft Lufthansa verpflichtet hat, Reisenden Filme zu zeigen, die auf das Thema Kindermissbrauch durch Urlauber hinweisen. Wieso setzen sich manche Maßnahmen erst nach langer Diskussion durch?

Wir sind erst am Anfang unseres Weges. Die Unicef hat den Verhaltenskodex zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung mitverfasst. Erfreulich ist, dass sich ihm nun immer mehr Unternehmen und Verbände anschließen, so wie der Deutsche Reiseverband oder der Bundesverband der Tourismuswirtschaft. Doch es müssen weitere Unternehmen folgen. Wir haben allerdings ein Problem: Es ist schwierig, sie mit zuverlässigen Zahlen von Tätern und ihrer Gewalt gegenüber Kindern zu versorgen und so zu Aktionen zu mobilisieren. Die Zahlen sind reine Schätzungen. Und es ist einfach nicht möglich, alles zu dokumentieren.

Wie kann die Unicef die deutsche Regierung unter Druck setzen, um Kindern bei diesen Problemen zu helfen?

Das ist nicht unsere Aufgabe. Aber wir hoffen darauf, dass die Bundesregierung eine führende Rolle übernimmt: Sie sollte sich bei den Vorbereitungen auf den Weltkongress stark engagieren und dort auch hochrangig erscheinen. Wir brauchen konkrete Ergebnisse für den Schutz von Kindern.

Welche?

Eines ist, dass Deutschland endlich das Zusatzprotokoll zur Kinderrechtskonvention ratifiziert. Die Unicef kann die Bundesregierung hier nicht direkt beeinflussen, sondern nur der UN-Kinderrechtsausschuss. Vor diesem Gremium muss sich Deutschland nächstes Jahr wieder rechtfertigen, und zwar speziell zur Lage der Migrationskinder und der kommerziellen sexuellen Ausbeutung der Kinder.

Wie kann man Kinderprostitution oder Kinderhandel verfolgen, ohne den Datenschutz zu verletzen?

Unicef kann nicht an dieser Diskussion teilnehmen, da dies die Sache der Strafverfolgungsbehörden ist. Natürlich will ich nicht sagen, dass wir da überhaupt keine Position hätten. Aber es ist die Sache der Staaten, die Täter zu verfolgen. Deshalb kann ich auf Ihre Frage nur eine moralische Antwort geben: Alles muss getan werden, um Kinder zu schützen. Wenn man zwischen den Interessen eines Kindes und denen eines Erwachsenen wählen muss, dann geht eben das Kind vor. Genau das ist das Prinzip der Unicef.

INTERVIEW: JULIA WALKER