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: Alles ist gut! Neue Bilderbücher

Als es dunkel wird, geht im Mond das Licht an. Rund und gelb leuchtet er die Welt hell an, und so kann man mühelos lesen, was auf seinem gelben Kreis geschrieben steht: „Es ist schon nach der Abendvorstellung. Es ist kalt und fängt an zu regnen. Trotzdem steht das Pferd auf der Weide. Im Zirkuszelt gehen geheimnisvolle Dinge vor.“ Wenn man eine Seite umblättert, sieht man eine große, gelbe Eins und ein Schwein mit einem rosa Zettel. Das Schwein lernt ein Gedicht auswendig. Auf der zweiten Seite trainieren zwei Pinguine Tischtennis. Und auf der dritten balancieren drei Hunde auf einem Einrad. Die Drei ist rot wie die Balancierstange und die Fahrradleuchte. So geht das weiter, bis das Pferd irgendwann ins Zelt schaut und fragt: „Darf ich reinkommen?“ Da ist das schüchterne Pferd auch schon drin und alle gratulieren ihm zum Geburtstag, für den sie Gedichte, Kunststücke und vieles mehr vorbereitet haben.

Ja, die Nacht ist eine gute Zeit für Geschichten. Als die kleine Isabella nicht einschlafen kann und einen Faden an der Wand entdeckt, wird sie von einem unstillbaren Drang befallen, an diesem Faden zu ziehen. Also steigt Isabella auf einen Tisch, auf den sie einen Wäschekorb stellt, auf dem ein rosaroter Stuhl steht, auf dem ein Behälter mit Bauklötzen steht, auf den sie viele Bücher gestapelt hat. Isabella greift nach der Schnur. Die wird immer länger, bis aus ihr ein Knäuel entstanden ist. Unglaublich, was Isabella mit diesem Knäuel alles erlebt. Sie führt es an der Leine herum wie einen Hund, balanciert auf dem Faden wie eine Zirkusakrobatin und spielt Tauziehen. Je aufregender das Knäuelspiel wird, desto greller werden die Farben. Als die Seite orange ist, lenkt Isabella ein: „Ja, ja, aber beruhige dich“, sagt sie zum Knäuel, „sonst erwürgst du mich noch!“

Ruhiger geht es in dem japanischen Bilderbuch von Komako Sakai zu. Die kleine Akiko bekommt einen Luftballon geschenkt. Zuhause vom Finger losgebunden, steigt er bis zur Decke empor. Da hat die Mutter eine Idee: Sie bindet einen Löffel an der Luftballonschnur fest. So beschwert, schwebt er auf Augenhöhe mit Akiko und wird zu einer Freundin, die mit in den Garten geht und mit der sie Kaffeetrinken spielt. Aber schwupp – einen Moment nicht aufgepasst, und weg ist der Ballon. Akiko ist untröstlich. Nachts träumt sie, wie sie mit ihrer Ballonfreundin Zähne putzen geht und sich schließlich zum Schlafen an sie kuschelt. Da muss sie noch einmal ans Fenster gehen und rausschauen. Und da hängt der Ballon hoch oben im Baum und schön wie der Mond. Und alles ist gut.

Alles ist gut. Dieses Gefühl verströmen diese Bilderbücher, ohne gefällig zu wirken oder gar langweilig zu sein. Die Kinder sind einfach Kind und schauen mit ihren Kinderaugen die Welt, die Nacht und die Träume an. Das kann anfangs schon unheimlich sein, aber schnell finden sie sich zurecht, weil in ihren Seelen Tag und Nacht, Träume und Wirklichkeit noch eng beieinander wohnen. Da kann man sich dann selbst fast noch einmal wie ein Kind fühlen. In „Das Karussell“ – die in Berlin lebende Französin Isabel Pin hat das Rilke-Gedicht illustriert – gewinnen die angedeuteten Formen von Pferdchen, Löwe und weißem Elefanten beim Blättern regelrecht an Fahrt und man fühlt förmlich den Fahrtwind, den das Karussell erzeugt. Alles ist gut. Das ist doch auch mal schön. ANGELIKA OHLAND

Patryk Lukas: „Nachts im Zirkus“. Bohem Press, Zürich 2008, 12,90 Euro Lucia Scuderi: „Gute Nacht Isabella!“ Bohem Press, Zürich 2008, 12,90 Euro Komako Sakai: „So schön wie der Mond“. Beltz & Gelberg, Weinheim 2008, 40 Seiten, 5,95 Euro Rainer Maria Rilke, Isabel Pin: „Das Karussell“. Kindermann Verlag, Berlin 2008, 14,50 Euro