Lernprojekte – zu teuer für Hartz IV

BERLIN taz ■ „Kurz vor den Sommerferien wird unsere Haushaltskasse hart auf die Probe gestellt“, sagt Helga wütend. Die Lehrer würden erst drei bis vier Tage vorher Bescheid geben, dass die Kinder wieder Geld und Material für die kommenden Projektwochen brauchen. Dazu noch Eintrittskarten und Fahrausweise. „Einmal nach Berlin-Mitte und zurück, das sind schon 4,20 Euro pro Kind.“

Kurz vor den Sommerferien fällt es Familie Anders besonders schwer, über die Runden zu kommen. Die Patchworkfamilie hat vier Kinder und lebt seit neun Jahren zusammen in Hellersdorf, einem Plattenbaugebiet. Mutter Helga (45) und der Vater Christian (49) leben seit Jahren von Hartz IV.

Der Familie stehen nach Hartz IV insgesamt 2.001 Euro zur Verfügung. Wenn man die Kosten für Miete, Strom, Telefon, Versicherung abziehe, blieben 860 Euro übrig für die Lebensmittel und Kleider einer sechsköpfigen Familie. „Unsere zwei Kleinen haben einen arg hohen Verschleiß an Schuhen, Hosen und Socken“, sagt die Mutter. Die älteren Mädchen dagegen ziehen nicht alles an. „Dann muss man schon tiefer in die Tasche greifen.“ Trotzdem gehen alle Kinder regelmäßig in die Kleiderkammer, wo auch mal Markenklamotten für sie abfallen.

Trotz der aussichtslosen Lage wollen Helga und Christian Vorbilder für ihre Kinder sein. Jeden Tag engagieren sich Mutter und Vater teils ehrenamtlich, teils gegen ein geringes Entgelt in einer Hilfsorganisation. „Ich arbeite 15 Stunden pro Woche in der Küche und verdiene 113 Euro im Monat“, sagt Helga – und rechnet vor, wie ein Drittel ihres Kleinverdienstes vom Staat abgezogen wird. Ihr Mann ist jeden Tag als Hausmeister und Maler tätig. Für diese Beschäftigung bekommt er 1,50 Euro pro Stunde. Mit ihrem Zusatzverdienst haben Helga und Christian zusammen 230 Euro im Monat. „Das bisschen mehr investieren wir in unsere Kinder“, sagt Christian und fügt leise hinzu: „Kinder kosten eine Menge Geld.“

Nein sagen müssten die Eltern eigentlich, wenn die Sommerferien kommen. Trotzdem versuchen die Anders ihre vier Kinder mit Hilfe der Vereine in die Freizeit zu schicken. „Vor allem die Jüngeren freuen sich auf die paar Tage Zelten“, sagt die Mutter stolz. Ohne die Hilfe der anderen hätten die Kinder keinen schönen Sommer. „Wir müssen ja etwas weiter als unsere Kinder sehen“, unterstreicht Helga, „nach den Sommerferien müssen neue Schulsachen her.“ JULIA WALKER

Namen von der Redaktion geändert