heute in bremen
: Kriminalität als Text

Ein Kunstprojekt lauscht dem Verbrechen Neues über den „Zustand unserer Gesellschaft“ ab

Ihr Projekt soll „Verbrechen als Text und Sprache lesbar machen“ – das klingt nach postmodernem Detektivspiel.

Doris Weinberger, Hochschule für Künste: Es handelt sich mehr um eine spezielle Form der Recherche als um Aufklärung. Indem man so die Verbrechen Formatänderungen und neuen Raumdefinitionen unterwirft, erfährt man viel Neues von ihnen.

Was teilt ein Verbrechen denn so mit?

Es deckt viel um den Verbrecher herum auf: Das Gesellschaftssystem, Erziehungsstrukturen – kein Verbrechen wird isoliert für lediglich einen Moment begangen.

Wie kommt da die Kunst ins Spiel?

Wir schaffen einen speziellen, einen künstlichen Rahmen. Ähnlich einem Archiv fassen wir verschiedene Fragmente unter einem Begriff zusammen. Aber diese Fragmente sind von Menschen übersetzt und interpretiert, sie öffnen einen neuen Zugang. Wenn solche symbolischen Zwischenräume entstehen, kann viel passieren.

Was ist denn passiert?

Ich habe mit der Künstlerin Julia Körperich eine Audio-Installation zu dem Brechmittelprozeß konzipiert. Wir haben versucht, mit künstlerischen Mitteln einen Kommentar abzugeben und forschend den Fragen nachzugehen, die sich aus unseren Prozessbesuchen ergeben haben.

Zum Beispiel?

Warum war der Tote Laya Condé in Bremen, wieso machte der so einen Job? In welchen Zwängen steckte der Amtsarzt? Warum konnte der die Maßnahme nicht abbrechen?

Gibt es darauf Antworten?

Wir haben das in einzelne Blöcke aufgeteilt, die sich dem Fall etwa aus philosophischer oder strafrechtlicher Sicht nähern. Aus jedem Block ist eine Audiospur entstanden. Deren Komposition verbindet Chaos mit vermeintlicher Aufklärung.

Wird so ein Fall dadurch nicht profanisiert?

Es ist heikel, aber die Möglichkeit, so eine Fläche aufzumachen ist wichtig. Letztlich muss diskutiert werden, wie sensibel oder moralisch man damit umgeht. Das muss nicht harmonisch sein.

A propos harmonisch: Wieso ist Ihnen die Polizei wieder abgesprungen?

Das weiß ich auch nicht. cja

„Performing Crime“, Schillerstraße 6-7, Bahnhofsvorstadt, www.lunatiks.de.