Man wusste nicht nichts

betr.: „Ein haltloses Leben“, taz bremen, 17. 7. 08

Der Artikel über den Selbstmord eines minderjährigen Jugendlichen im Jugendgefängnis Bremen wirft viele Fragen auf. Der Jugendliche kam mit 15 Jahren als als minderjähriger unbegleiteter Flüchtling aus einem Bürgerkriegsgebiet in Afrika nach Bremen und wurde in einem Asylbewerberheim untergebracht, wo ein minderjähriger Jugendlicher in diesem Alter laut Gesetz nicht untergebracht werden darf. Es besteht die Verpflichtung der Betreuung durch das Jugendamt, die Einrichtung einer Vormundschaft, der Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung, etc.

Nur wenige Zeit später nach dieser Desintegrationsleistung wird der der deutschen Sprache unkundige Minderjährige zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe ohne Bewährung verurteilt. Eine Verurteilung zu einer so hohen Jugendstrafe in diesem jungen Alter ist für Bremen ungewöhnlich und kann eigentlich nur auf der Grundlage einer genauen Persönlichkeitseinschätzung des Jugendlichen durch das Gericht und der Verneinung des Vorrangs von Jugendhilfeleistung erfolgt sein.

Die Einschätzung der Jugendhilfe, die Urteilsbegründung, die Stellungnahme des Vormunds und vieles mehr muss vorliegen, sodass man nicht – wie die Leitung der JVA verlauten lässt – nichts über den Jungen wusste.

Am Vorabend des Suizids soll es ein Gespräch des Jugendlichen mit einer Sozialarbeiterin gegeben haben. Was wurde dort besprochen? Gibt es darüber einen Vermerk oder ein Protokoll?

Übrigens ist das nicht der einzige Fall eines Selbstmordes eines minderjährigen Jugendlichen im Jugendgefängnis Bremen in den letzten Jahren, wo die zum Teil skandalösen Haftverhältnisse immer wieder zum aggressiven und autoaggressiven Handeln der Jugendlichen führen. Im Grunde wäre ein unabhängiger Ausschuss, der die Vorfälle genauer untersucht, mehr als geboten. Aber Unterschichtsjugendliche, die sich nicht an die Spielregeln halten und die einen Migrationshintergrund aufweisen und im Drogenhandel verstrickt sind, haben keine Lobby und so wird der Selbstmord eines 16-jährigen Jungen mal schnell ad acta gelegt.

OLAF EMIG, DIPLOM-KRIMINOLOGE UND DIPLOM-SOZIALARBEITER, BREMEN