Das bescheidene Monumental-Denkmal

Oldenburg will den Vertriebenen ein Denkmal setzen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg dort integriert haben. Doch der Entwurf ruft mit seiner Heimaterde-Symbolik Protest hervor. Oberbürgermeister Schwandner verschärft den Ton

VON ANNEDORE BEELTE

„Das Ziel von einem Mahnmal muss sein, dass am Ende alle klüger und aufgeklärter sind“, sagt Volkhard Knigge, Leiter der Gedenkstätte Buchenwald. Doch Aufklärung war nicht das, was der Bund der Vertriebenen (BdV) und Horst Milde (SPD), ehemaliger niedersächsischer Landtagspräsident, Oldenburger Ex-Bürgermeister und selbst Vertriebener, mit ihrem „Denk- und Dankmal“ im Sinn hatten. Nur eine „bescheidene, aber auch mahnende Erinnerung“ und Dank für der Integration der 40.000 Vertriebenen, immerhin ein Drittel der Oldenburger Bevölkerung in der Nachkriegszeit. Doch rief die 2004 von der Initiative offerierte Bronzeskulptur von einer Flüchtlingsfrau mit Kind keine Begeisterung hervor.

Dass die Vertriebenen ihr Denkmal bekommen sollen, ist im Stadtrat breiter Konsens: In der CDU haben die Anliegen des BdV Gewicht, in der SPD gilt das Wort Mildes. Oldenburger Historiker hingegen wenden seit Jahren ein, dass ein Denkmal den Dialog mehr hemme als fördere und Gedenken lieber in Form von Wissenschaft und Bildungsarbeit geschehen solle. Schließlich schrieb die Stadt einen Wettbewerb aus. Das Rennen machte der Monumental-Entwurf von Insa Winkler: Auf dem Umriss von Deutschland stehen sechs Meter hohe Stahlbäume, zwei mit den Wurzeln nach unten, zwei auf den Kopf gestellt. Auf einem Stahlring ist in deutscher, russischer und polnischer Sprache das Wort „Heimat“ zu lesen.

Das gesamte Institut für Geschichte der Uni unterzeichnete prompt ein Protestschreiben, auch die Theologen intervenierten. Die HistorikerInnen bemängeln, dass das Thema nicht in den Kontext des vorangegangenen Vernichtungskrieges der Deutschen eingeordnet wird. Stephan Scholz, Mitarbeiter am Institut, sieht die Metaphorik von Baum und Wurzeln in einer gefährlichen Tradition: „Heimat ist schicksalhafte Verbundenheit mit der Erde“, schrieb einst der Oldenburger NS-Dichter August Hinrichs.

Die Stadt beschwichtigte: Man habe der Künstlerin längst Hausaufgaben zur Verbesserung ihres Entwurfs aufgegeben. Doch jetzt meldete der 95-jährige Leo Trepp, Landesrabbiner bis 1938 und Ehrenbürger der Stadt, Bedenken an. In einem Brief an Oberbürgermeister Gerd Schwandner (parteilos) sorgt sich Trepp um die Unabhängigkeit der Wettbewerbs-Jury. Hier waren mit dem Kulturdezernenten und zwei Museumsleiterinnen drei Juroren vertreten, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Bürgermeister stehen. Zwei Sitze nahmen BdV-Vertreter ein. Den Vorschlag der Grünen, Volkhard Knigge hinzuzuziehen, hatte der Rat seinerzeit abgeschmettert. Die SPD führte damals ins Feld, die Fahrtkosten seien zu hoch, berichtet Scholz. In den Augen Trepps lässt es der monumentale Entwurf an Demut mangeln angesichts der historischen Schuld der Deutschen. Schwandner indes erklärt in seiner Antwort den Theologieprofessor zum ahnungslosen Erfüllungsgehilfen der Oldenburger Störenfriede: „Nicht eigentlich der Denkmalentwurf ist das Problem“, doziert er, „sondern dass sich die Gegner immer neue Kritikpunkte gesucht haben.“

Kulturdezernent Martin Schumacher bat angesichts der geballten Kritik nun doch Volkhard Knigge und den Jenaer Historiker Norbert Frei um Rat. Knigge hält den Entwurf nur mit „radikalen Veränderungen“ für umsetzbar. „Er will zu viel und leistet zu wenig“, urteilt der Historiker. Die Wurzelmetapher sei disqualifiziert, seit sie im Vertreibungsdiskurs im Kosovo-Konflikt missbraucht wurde. Den Gedankengang der Künstlerin, die unterschiedlichen Begriffe für Heimat im Deutschen, Polnischen und Russischen unterstrichen „deren erheblichen Anteil im gegenseitigen Leid“, lässt er nicht gelten. Mit den Kategorien von Heimat und Nationalismus werde man der NS-Vernichtungspolitik nicht gerecht. „Der aktuelle Forschungsstand muss berücksichtigt werden.“

Günter Zimny, langjähriger BdV-Kreisverbandsvorsitzender und Jury-Mitglied, erfuhr aus der Zeitung von der Konsultation auswärtiger Experten. „Beleidigend“ findet er das Vorgehen der Stadt. BdV und Stadt sollen laut Ratsbeschluss gemeinsam die für das Denkmal veranschlagten 109.000 Euro bei Sponsoren eintreiben. Doch Zimny meint, die Stadt habe dem BdV das Projekt längst aus der Hand genommen. Seine Antwort: „Wer den Auftrag gibt, muss bezahlen.“

Die Schöpferin des Entwurfs, Insa Winkler, findet es indes „wunderbar“, wenn ihr Entwurf diskutiert und modifiziert wird. „Was geändert werden muss, sind Details. Das Kunstwerk steht sinnstiftend darüber.“