Aufgeschlossene Gesellschaft

Die Hamburger DGB-Jugend verliert vor dem Verwaltungsgericht mit einer Klage gegen die Polizei. Diese hatte Neonazis den Zugang zu einer geschlossenen DGB-Veranstaltung verschaffen wollen

VON KAI VON APPEN

„Wir betreten da absolutes Neuland“, brachte der Vizepräsident des Hamburgischen Verwaltungsgerichts, Joachim-Mathias Roggentin, die Problematik gleich zu Prozessbeginn auf den Punkt. „Dazu gibt es bisher keine Rechtssprechung.“ Doch schon im nächsten Satz machte er dem Hamburger DGB-Jugendsekretär Olaf Schwede deutlich, dass die Klage der gewerkschaftlichen Jugendorganisation wohl kaum Erfolg haben wird. Die DGB-Jugend hatte die Polizei verklagt, da diese am 26. November 2006 Neonazis Zutritt zu ihrer Veranstaltung „Strukturen der rechten Szene in Hamburg-Wandsbek“ verschaffen wollte.

Dabei hatte sich DGB-Jugendbildungsreferent Heiko Humburg alle Mühe gegeben, einen störungsfreien Ablauf zu gewährleisten. Er hatte sich dabei genau an die Normen des Versammlungsgesetzes gehalten, das in Paragraf sechs „Öffentlichen Versammlungen in geschlossenen Räumen“ regelt: „Bestimmte Personen oder Personenkreise können in der Einladung von der Teilnahme aus der Versammlung ausgeschlossen werden.“

So versandte die DGB-Jugend sämtliche Einladungs-Mails und Pressemitteilungen mit einem entsprechenden Zusatz: „Mitglieder und Anhänger rechtsextremer Parteien und Organisationen wie NPD, DVU, Rep und der ‚Freien Kameradschaften‘ haben keinen Zutritt zur Veranstaltung nach § 6 Versammlungsgesetz.“ Zur Sicherheit brachten die Gewerkschafter auch noch an der Eingangstür derartige Hinweisschilder an.

Trotzdem erschien eine Gruppe von 20 Neonazis, denen von Ordnern der Zugang verwehrt wurde. Es kam zu einer handfesten Rangelei, die Rechte konnten jedoch aus dem Haus gedrängt werden. Die herbeigerufene Polizei hielt die Rechten auch zunächst vom Gebäude fern, nach einiger Zeit trat jedoch der Einsatzleiter an Versammlungsleiter Humburg heran. Er müsse den Rechten Einlass gewähren, sofern er nicht konkret Personen benennen könne, die an der Rangelei beteiligt gewesen seien und gegen die die Polizei ein Platzverweis aussprechen könne. Ansonsten müssten alle Personen reingelassen oder die Veranstaltung abgebrochen werden – was Humburg dann auch tat.

Der DGB war über das polizeiliche Verhalten empört und klagte vor dem Verwaltungsgericht. Dessen Urteil sorgte bei der Gewerkschaft jedoch für Ernüchterung: Da die Veranstaltung ohne die Zugangsbeschränkung im Hamburger Abendblatt, im Wandsbeker Wochenblatt sowie auf dem Internetportal des Bezirksamts Wandsbek angekündigt worden war, sei die Veranstaltung in der Presse öffentlich angekündigt worden. „Der Paragraf 6 Versammlungsgesetz stellt da hohe Hürden und Ansprüche“, sagte Verwaltungsrichter Roggentin. Ein Ausschluss sei nur dann rechtswirksam, wenn „für jedermann erkennbar ist, welcher Personenkreis ausgeschlossen sei“. Es spiele keine Rolle, dass andere Medien die Zugangsbeschränkung abgedruckt hätten.

Dass die DGB-Jugend auf den redaktionellen Umgang mit Pressemeldungen keinen Einfluss habe, ließ Roggentin nicht gelten. „Wenn man die Presse in Anspruch nimmt, geht man das Risiko ein.“ Dann hätte die DGB-Jugend die Medien zu überprüfen, und wenn der Zusatz nicht abgedruckt worden sei, müsse notfalls auf eine Korrektur oder den vollständigen Abruck der Pressemeldung bestanden werden. „Ein Hinweisschild erst an der Eingangstür reicht nicht aus“, befand Roggentin.

Dem Argument, dass sich die Presse kaum diktieren lässt, was sie schreibt, folgte die Kammer nicht. „Der sicherste Weg wäre eine Anzeige gewesen“, sagte Roggentin. Dass kleine Gruppen sich so etwas nicht leisten könnten „und ihnen damit die Möglichkeit genommen wird, solche Veranstaltungen durchzuführen“, wie Schwede kritisierte, hielt das Gericht für nicht stichhaltig. Wenn eine Antifa-Gruppe per Plakat für eine Veranstaltung werbe, auf dem ein erkennbarer Zugangshinweis stehe, so Roggentin, „ist das ausreichend“.